Ein Arzt ohne Gewissen

Nach dem Ende des Dritten Reiches gelang es auch Medizinern und Juristen, ihre NS-Vergangenheit zu leugnen oder zu verharmlosen. Ein neues Buch über den Fall Heyde/Sawade ist soeben erschienen.

Von 1939 bis 1941 organisierte Werner Heyde als Leiter und »Obergutachter« reichsweit die Ermordung von mehr als 70.000 Kranken und Behinderten. Außerdem wirkte er im Rahmen der Aktion »Sonderbehandlung 14f13« an der Selektion und Ermordung jüdischer KZ-Häftlinge mit.
Von 1939 bis 1941 organisierte Werner Heyde als Leiter und »Obergutachter« reichsweit die Ermordung von mehr als 70.000 Kranken und Behinderten. Außerdem wirkte er im Rahmen der Aktion »Sonderbehandlung 14f13« an der Selektion und Ermordung jüdischer KZ-Häftlinge mit. Foto: Archiv
tirsdag d. 5. oktober 2021 kl. 21.02

RESUME

Nazi-læge tog et dæknavn

Lægen Werner Heyde var leder af nazisternes »Euthanasie-Programm« og dræbte 100.000 mentalt syge og udviklingshæmmede mennesker. Historikeren Jens Nielsen har skrevet bogen »Professor Tod. Der Vorgang Heyde/Sawade und seine Folgen«. Under dæknavnet Dr. Fritz Sawade fik Werner Heyde en stilling som læge i Flensborg. Inden for juristkredse og lægestanden i Flensborg var »Dr. Sawades« sande identitet en offentlig hemmelighed. Først i 1959 klappede fælden for Werner Heyde.

Kiel. Anfang der 60er Jahre wurde das Bundesland Schleswig-Holstein von einem Skandal erschüttert, der weltweite Beachtung fand.

Der in der NS-Zeit durch seine Funktion als Obergutachter bei den als »Aktion T4« bezeichneten Morden an 100.000 kranken und behinderten Menschen bekannt gewordene Professor Dr. Werner Heyde war nach Kriegsende aus seiner Inhaftierung geflohen und über mehrere Jahre in Flensburg untergetaucht.

Der Historiker und Publizist Jens Nielsen aus Kiel legt mit dem neuen Buch »Professor Tod. Der Vorgang Heyde/Sawade und seine Folgen« ein Werk vor, dass das Thema »Euthanasie« und den Umgang mit der einstigen Nazi-Elite in der Nachkriegszeit neu »in die Köpfe holt«.

Deckname

Unter dem Decknamen Dr. Fritz Sawade konnte er sich erneut als Arzt und Gutachter eine neue Existenz aufbauen und blieb über viele Jahre unbehelligt. Seine Enttarnung 1959 deckte ein erschreckend großes Unterstützungsnetz an namhaften Mitwissern aus Politik, Justiz und Ärzteschaft auf, die Heyde/Sawades wahre Identität aus Eigennutz, aus Solidarität mit einem alten Parteikameraden und aus Angst vor Aufdeckung der eigenen NS-Vergangenheit verschwiegen hatten. 

Nicht wenige Juristen und Ärzte aus den Städten Schleswig und Flensburg waren an dieser Verschleierungsaktion beteiligt - aus gutem Grund, hatten sie doch alle ihre eigene Geschichte.

Keiner der Mitwissenden ist jedoch für seine Taten später verurteilt worden. Noch Jahrzehnte nach diesem Skandal, der das Ausmaß der Assimilierung ehemaliger Nazi-Größen in die Strukturen der noch jungen Bundesrepublik zum Teil offen legte, gibt es noch immer neue Blickwinkel und unveröffentlichte Forschungsergebnisse, die den Vorgang Heyde/Sawade in ein anderes Licht tauchen.

Jens Nielsen: Professor Tod. Der Vorgang Heyde/Sawade und seine Folgen. Erscheint bei BoD. ISBN: 9 78375439 5547. 196 Seiten, 15,99 Euro.

FAKTA

Jens Nielsen

1969 in Schleswig geboren, gelernter Pädagoge, lebt als Museums- und Kulturpädagoge und mittlerweile hauptberuflich als Publizist in Kiel.

Vorher jahrzehntelange Selbständigkeit mit seiner »Agentour Zeitensprung« im Bereich Museumspädagogik und »Living history«.

Er war freier Mitarbeiter u.a. im Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Schloss Gottorf in Schleswig und im Landesmuseum für Volkskunde im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel.

Es erschienen von Jens Nielsen zunächst zahlreiche kunsthistorische Kirchenführer im Auftrag der jeweiligen Kirchengemeinden im gesamten Bundesgebiet. Ab 2019 brachte er Werke im eigenen Auftrag zu historischen, zunächst auf die Stadtgeschichte Schleswigs bezogene Themen heraus.