Szilágyi: »Es kam schlimmer als befürchtet«

Vor dem Klassiker zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem THW Kiel sprachen wir mit Viktor Szilágy über ein Jahr Corona im Handball, den Umgang damit, seine Wünsche für die Zukunft und natürlich über das Spiel der Spiele.

Viktor Szilágyis Freude auf das Nordderby ist ungebrochen.
Viktor Szilágyis Freude auf das Nordderby ist ungebrochen. Foto: Frank Molter, dpa
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onsdag d. 24. marts 2021 kl. 21.01

Kiel. Von 2010 bis 2012 trug Viktor Szilágyi das Trikot der SG Flensburg-Handewitt und erzielte in 60 Bundesliga-Partien 135 Tore für die Norddeutschen. Zum Abschluss seiner Zeit in Flensburg gewann der 42-Jährige mit dem Club den Europapokal der Pokalsieger. Seit dem 1. Januar 2018 ist er als Funktionär beim THW Kiel tätig, für den er auch von 2005 bis 2008 spielte - zunächst als sportlicher Leiter, inzwischen als Geschäftsführer. In dieser Funktion hat er erlebt, wie der THW in der vergangenen, abgebrochenen Saison nach der Quotientenregelung am grünen Tisch zum Meister erklärt wurde. Im Dezember gewannen die Kieler mit einem halben Jahr Verspätung die Champions League und im Sommer 2020 gab es den Supercup-Titel mit einem Sieg gegen die SG. 

Wie alle anderen Manager der Liga, muss auch Szilágyi seinen Verein durch eine Spielzeit manövrieren, die geprägt ist von Unwägbarkeiten, Geduldsspielen, Flexibilität und Themen, die es so noch nie gab. Da ist es auch für ihn umso schöner, dass ein Nordderby immer ein Nordderby bleibt. Die Vorfreude des Österreichers auf das Spiel der Spiele am Sonnabend (18.05/live ARD und Sky) ist jedenfalls ungebrochen, wie er uns im Interview verriet.


Viktor Szilágyi (r.) spielt mit seinem THW Kiel einmal mehr gegen die SG Flensburg-Handewitt um Geschäftsführer Dierk Schmäschke (l.) um die Meisterschale. Archivfoto: Carsten Rehder, dpa

Flensborg Avis: Viktor, etwas mehr als ein Jahr Coronapandemie - wie ist der THW Kiel bislang durch diese Zeit gekommen, wie habt Ihr sie bis hierhin erlebt?

Viktor Szilágyi: Es gab jede Menge Herausforderungen und Ablenkungen, mit denen das Team, der ganze Club, überragend umgehen. Wir mussten uns immer wieder kurzfristig auf neue Situationen einstellen. Ich kann das Wort Flexibilität selber nicht mehr hören, aber genau die ist nach wie vor unglaublich wichtig. Wir haben vor der Saison darüber gesprochen, dass wir bei all diesen Begleiterscheinungen, die wir nicht gewohnt sind, besser sein müssen als unsere Konkurrenz, und das hat die Mannschaft sehr, sehr gut umgesetzt. In Köln haben wir mit dem Champions-League-Final4 ein Highlight erlebt und genau dort gezeigt, dass wir trotz Quarantäne-Situation, kurzer Vorbereitung usw. besser als unsere Konkurrenten den Fokus auf die Spiele legen konnten. Ich habe großen Respekt vor der gesamten Mannschaft, wie alle mit der Situation umgehen.

Was die Zuschauer angeht, so kam es schlimmer als befürchtet. Zu Beginn ging man davon aus, dass wir ohne Zuschauer spielen, diese aber im Laufe der Saison, wenn die Situation besser im Griff ist und die Konzepte funktionieren, zurückkehren. Es kam jedoch anders, wir haben mit Zuschauern begonnen und haben nun seit Monaten keine mehr. 

Beim Blick auf die Tabelle stehen Flensburg und Kiel - zumindest nach Minuspunkten - wieder weit vor der Konkurrenz. Woran liegt es, dass die beiden Clubs auch in der Pandemie-Zeit ganz oben stehen? Ist es die sportliche Qualität in den Kadern oder eben der beste Umgang mit sämtlichen Begleitumständen in dieser Zeit?

Grundsätzlich ist es eine Qualitätsfrage. Dabei gehören sportliche und mentale Qualität zusammen. Es gibt Teams in der Bundesliga, die von Ausfällen, Verletzungen etc. härter getroffen wurden als andere. So etwas ist nicht zu steuern. Die Tabelle ist zwar noch etwas schief, aber längst aussagekräftig, und es zeigt sich, dass es das Wichtigste ist, wie man sich bei allen Begleiterscheinungen auf das Wesentlichste konzentrieren kann. Und an der Stelle haben diese beiden Teams es bislang am besten gelöst. Zudem gibt es in beiden Kadern zweifelsohne viel sportliche Qualität.

Ist die Vorfreude auf das Nordderby genau so groß wie immer oder angesichts der Corona-Situation in irgendeiner Art und Weise getrübt?

Wenn Corona jetzt überraschend käme, wäre die Vorfreude sicherlich getrübt, aber wir wissen um die Situation. Von daher freuen wir uns darauf, weil es einfach ein großes Spiel ist. Ich hoffe, dass beide aus dem Vollen schöpfen können. Leider sieht es aktuell nicht danach aus (beim THW ist Niklas Landin in Quarantäne und bei der SG sind es Simon Hald sowie Mads Mensah Larsen/Red.). Dass würde es für mich ein wenig trüben, wenn nicht Verletzungen, die nicht zu vermeiden sind, sondern die Quarantäne-Situation, die derzeit über beiden Clubs schwebt, Einfluss nimmt. Grundsätzlich ist ein Derby aber immer ein besonderes Spiel. Dabei spielt es nie eine Rolle, was war, was kommt oder wie die Tabelle aussieht. Egal in welchem Wettbewerb: Derbys sind Highlights und Spiele mit großer Tradition. Es ist etwas Besonderes, dass wir uns auf dem Niveau messen dürfen, schließlich zählen beide Teams national und international zur absoluten Spitze.

Gibt es in Deinen Augen einen Favoriten am Sonnabend?

Es gleicht sich immer irgendwie aus. Wir haben es in dieser Saison zwei Mal gut gemacht gegen Flensburg (Sieg im Supercup und Liga-Hinspiel/Red.), aber jetzt ist es ein Auswärtsspiel für uns, auch ohne Zuschauer. Es ist doch klar, dass sich die SG in ihrer eigenen Halle wohler fühlt als wir es dort tun. Aber es fängt wie jedes Spiel bei null an und es geht in dieser Partie mehr als in anderen um die Tagesform. Wer schafft es, besser die Stärken des Gegners einzuschränken, wer schafft es, in den emotionaleren Bereich zu kommen. So etwas ist oft nicht vorhersehbar, weil es Kleinigkeiten sind, die den Funken überspringen lassen. Es sind zwei Clubs auf Augenhöhe und deshalb kann sich jeder Handball-, nein, jeder Sportfan auf das Spiel freuen. Ich hoffe einfach, dass es auch dabei bleibt, dass wir spielen können. 

Es sind zwei Clubs auf Augenhöhe und deshalb kann sich jeder Handball-, nein, jeder Sportfan auf das Spiel freuen. Ich hoffe einfach, dass es auch dabei bleibt, dass wir spielen können.

Viktor Szilágyi, THW Kiel-Geschäftsführer

Wie eng ist der Austausch mit der SG rund um das Thema Corona und Quarantäne, sprich: ob das Spiel stattfinden kann?

Sehr eng, vor allem in der letzten Woche war der Austausch intensiv. Am Freitag hatte ich nicht allzuviel Hoffnung, dass wir spielen können. Nachdem aber die Meldung kam, dass es bei der SG einen falschen Positiv-Test gab, war auch ich sehr erleichtert. Die Chancen auf das Spiel sind gestiegen, jetzt hoffe ich einfach, dass beide mit voller Kapelle antreten können. Da wir jedoch beide von der selben Landesverordnung betroffen sind, gehe ich davon aus, dass beide Seiten auf ihre Dänen, die zuletzt bei der Nationalmannschaft waren, verzichten müssen. Wir schauen jetzt, ob es mit der wie bisher extrem engmaschigen Testung noch Möglichkeiten gibt, dass die Spieler vorzeitig aus der Quarantäne kommen. Aber auch dem Gesundheitsamt sind in dieser Hinsicht gewissermaßen die Hände gebunden.

Wie wichtig ist für Euch, dass die Partie in der ARD gezeigt wird?

Das kann man nicht hoch genug einschätzen. Denn so gibt es nicht nur Sportbegeisterten die Möglichkeit, die Partie zu sehen. Auch wenn es auswärts ist, hätten wir uns ein volles Haus gewünscht. Das ist leider utopisch, aber gerade deshalb sind wir froh, dass wir eine große Anzahl Fernsehzuschauer erreichen können. Auch weil es ein Spiel ist, das diese Übertragung verdient hat. Die beiden besten Teams der letzten Jahre in Deutschland treffen mit reichlich Brisanz aufeinander. Auch die Historie dieses Duells bietet einfach viel. Deshalb freut es mich, dass wir die Möglichkeit haben, uns im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu präsentieren.

Unabhängig von sportlichem Erfolg für den THW Kiel, was wünscht Du Dir für den restlichen Saisonverlauf und den Handball generell?

Meine große Hoffnung ist, dass wir noch in dieser Saison vor Zuschauern spielen können. Dass wäre ein unglaublich wichtiger Schritt Richtung Normalität. Alle Bundesliga-Clubs haben tolle Hygienekonzepte. Ich kann von unserem sprechen, das sehr gut funktioniert hat, und Zuschauer wären ein wichtiges Signal für die Zukunft. Darauf aubauend hoffe ich, dass wir die nächste Saison auch direkt mit Publikum beginnen können.

Befürchtungen, dass auch diese Saison noch vorzeitig abgebrochen werden kann, hast Du keine?

Doch, klar. Die gibt es. Der oberste Wunsch ist natürlich, dass alle Clubs alle Spieltage durchführen können. So wäre es am schönsten und so wünschen wir es uns alle. Wir wussten vor der Saison alle, dass es ein Ritt auf der Rasierkligne wird, es verschiedene Quarantäne-Situationen geben wird und wir nicht viel Spielraum im Kalender haben. Daher ist mir auch schon wieder bange vor den nächsten Länderspielen in einigen Wochen, da die letzte Woche doch einige Turbulenzen bedeutet hat. Ich wünsche mir für den Handball allgemein, dass wir ab jetzt wir alle coronafrei durchkommen.

Viktor Szilágyi (4.v.l.) hat großen Respekt vor der Arbeit von THW-Coach Filip Jicha und seinem Team. Foto: Frank Molter, dpa