Hannes Ocik möchte sich einmischen
Sportlich möchte er am Sonntag mit dem Deutschland-Achter vorne mitmischen - wie es für ihn persönlich danach weitergeht ist noch offen. Fest steht aber schon: sportpolitisch möchte sich Schlagmann Hannes Ocik in Zukunft verstärkt einbringen.
Flensburg. Es ist rund einen Monat her, dass der Deutschland-Achter in Tokio die Olympische Silbermedaille holte. Mit im Boot saß Schlagmann Hannes Ocik, der bekanntlich einen engen Draht zu Boy Meesenburg, Handball-Boss der SG Flensburg-Handewitt pflegt. Am Sonntag kommt Ocik ganz in die Nähe der Handball-Hochburg. Um 14.15 Uhr (live ARD) startet der Achter beim SH Netzcup, besser bekannt als das härteste Ruderrennen der Welt. Während es über die 2000 Meter in Tokio das Boot aus Neuseeland und die Hitze waren, werden Ocik und Co. diesmal von der Konkurrenz aus den Niederlanden und Polen sowie von den 12,7 Kilometern des Ruder-Marathons von Breiholz bis unter die Rendsburger Hochbrücke gefordert werden.
»Wir wollen wieder mal die Nase vorne haben«, so Ocik, der auch im letzten Jahr dabei war, als der Deutschlandachter zum 15. Mal bei dem seit 2001 ausgetragenen Rennen siegte. »Die 12,7 Kilometer werden ein hartes Brett und wir sind gespannt, was die Niederländer und Polen in diesem Jahr zu bieten haben. Wir freuen uns, dass wir uns nochmal präsentieren dürfen, würden uns natürlich auch über einen Sieg freuen.«
Und wie geht es danach weiter, vor allem für Ocik persönlich? Seine Entscheidung steht noch nicht fest. Bereits in Tokio hatte er angekündigt, dass er sich damit Zeit lassen wolle und tut das auch weiterhin. Paris ist bereits in drei Jahren und nach zwei Mal Silber bei Olympischen Spielen hätte er auch schon gerne noch »eine andere Farbe« im Medaillenpaket. Aber der 30-Jährige hat auch noch »andere Ambitionen für die Zukunft.« Beruflich beginnt er im September wieder bei der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern, wo er vor einigen Tagen zum Polizeiobermeister befördert wurde.
Im Sport möchte er sich auch außerhalb des Bootes, quasi an Land, mehr einbringen. Direkt nach dem Rennen in Japan hatte er angekündigt, sich sportpolitisch einmischen zu wollen. Ocik sagte: »Vieles im Sport in Deutschland muss sich verändern.« Konkret meinte er: »Die politische und gesellschaftliche Anerkennung sowohl vom Leistungssport bis hin zum Breitensport geht immer weiter flöten.« In seinen Augen ist »Inklusion« ein Thema von »ganz vielen wichtigen.« Ocik findet auch, dass der »paralympische Sport mehr gefördert werden« müsse. In welche Richtung genau er sich einbringen möchte, weiß er noch nicht, aber in den kommenden Wochen und Monaten möchte er nicht nur über die eigene Karriere nachdenken, sondern eben auch herausfinden, wie er seine Erfahrungen generell in der Sportlandschaft einfließen lassen kann. »Ich möchte da jetzt auch ein Netzwerk aufbauen und meine Stimme auf jeden Fall nutzen«, so Ocik, der sich natürlich auch speziell in Sachen Rudersport Gedanken gemacht hat.
Er habe »nicht das Gefühl«, dass die »halbe Zentralisierung«, wie sie in Deutschland bislang praktiziert wird, »auf lange Sicht Erfolg« haben werde. Ralf Holtmeyer, der als Bundestrainer in Tokio seine Abschiedsvorstellung gab, hatte dort bereits die Denke im deutschen Rudern kritisiert. »Man will Vereinsboote zu Olympia schicken. Aber wer macht das denn noch? Neuseeland und Großbritannien zentralisieren und bei uns soll es noch so laufen wie vor 60 Jahren.« Ocik sieht in Sachen Strukturen »Optimierungsbedarf« und ist »gespannt«, wie der neue Bundestrainer Christian Felkel die Dinge angehen wird. Genau wie Holtmeyer hofft Ocik jedenfalls darauf, dass hier zu Lande generell mehr in Trainer und deren Ausbildung investiert wird.
Überhaupt wünscht er sich, dass der Sport, auch der Breitensport, nach Monaten der Pandemie wieder mehr in Bewegung kommt. Er selber wird davon am Sonntag genug bekommen und würde das Jahr 2021 gerne mit einem Sieg abschließen.
Ruwen Möller
rm@fla.de
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