Platz sechs für Lara Lessmann
Die Flensburgerin hatte sich für ihre ersten Olympischen Spielen eine bessere Platzierung gewünscht. Der Blick geht daher jetzt schon in Richtung Paris 2024.
Tokio. Ihre Gefühlswelt war durcheinander. Stolz über die Teilnahme an ihren ersten Olympischen Spielen mischte sich mit ein wenig Frust über die verpasste Medaille.
»Es ist schwer mit einer Verletzung herzukommen. Man will alles geben, weiß aber, dass man es körperlich nicht kann. Trotzdem lief es überraschend ziemlich gut für mich und mein erster Lauf war wirklich top«, so Lara Lessmann. Den ersten Durchgang im Finale beim BMX Freestyle-Wettbewerb hatte sie zu den Klängen von Linkin Parks »Numb« in der Morgenhitze von Tokio hingelegt und zwischenzeitlich Platz fünf erreicht. »Ich hatte nichts zu verlieren und für mich war es ein gewinn, ein Geschenk herzukommen, auch mit einer Verletzung. Trotzdem bin ich etwas enttäuscht, weil es nur Platz sechs geworden ist«, so die 21-Jährige gebürtige Flensburgerin, die genau wie ihre Disziplin olympische Premiere in Japan feierte. »Natürlich kann man darauf stolz sein, aber man will halt immer das Beste. Ich bin jedoch zuversichtlich für die nächsten Spiele.«
Lessmann hatte im ersten Lauf 79.60 Punkte erzielt und dabei u. a. ihren Lieblingssprung, den sogenannten »Can-can-Trick« gezeigt. Einige Konkurrentinen, darunter auch Charlotte Worthington (GBR) waren gestürzt. Die große Favoritin Hannah Roberts aus den USA hatte wie erwartet geliefert und mit einem spektakulären Lauf 96.10 von 100 möglichen Punkten erzielt. Sie lag klar vorne und Lessmann hatte vor dem zweiten Heat - der beste sollte beim Finale gewertet werden - 6.4 Punkte Rückstand auf das Podest. Es war noch alles möglich, beim Betrachten der Konkurrenz jedoch auch klar: für eine Medaille war an diesem Tag mehr Risiko und mindestens ein Salto nötig. Lessmann, die schon einmal einen Rückwärts-Salto gestanden hat, blieb diesmal jedoch ihrem eher auf eine Vielzahl von Tricks und Sprüngen ausgelegtem Programm treu und konnte sich im zweiten Lauf nicht mehr verbessern. Sie bekam 78 Punkte und somit war das ihr Streichergebnis.
Auf die Frage, ob ihr Schlüsselbeinbruch von vor einigen Wochen sie beeinflusst habe oder ob sie ohne Verletzung einen Salto gezeigt hätte, sagte sie: »Ich zeichne mich eher mit anderen Tricks aus, mit kreativeren Tricks. Das zeichnet meinen Style aus, dass ich versuche anders zu sein. Fünf Frauen haben einen Rückwärtssalto gezeigt, wohingegen ich in einer Minute 15 Tricks abliefere.«
Weiter meinte sie: »Es ist aber auch so, dass in Deutschland die Bedingungen für BMX-Freestyle ziemlich schlecht sind. Da sind die USA und auch Großbritannien weiter. Ich habe im Training schon mal einen Rückwärtssalto gemacht, man darf aber nicht vergessen, dass wir Frauen den Männer-Parcours mitfahren und da sind die Rampen einfach größer.«
Voll auf Angriff fuhr im zweiten Lauf Worthington und übertrumpfte damit alle. Wie schon im ersten Durchgang versuchte sie erneut den Backflip 360 (Rückwärts-Salto mit einer Schraube) und diesmal stand sie ihn und bekam für ihren große Show 97.5 Punkte. Roberts konnte das nicht mehr überbieten, brach den 2. Lauf nach wenigen Sekunden ab. Es sah so aus, als ob sie irgendwo hängen geblieben war bzw. als ob sie Worthington Gold gönnte. Immerhin hatte diese als erste Frau jemals den waghalsigen Sprung in einem Wettkampf hinbekommen und somit historisches geleistet.
Darüber freute sich auch Lessmann, die an einem ihrer Finger ein Tattoo trägt. Dort steht: »Nur Mut«. Sie sagte dazu: »Für meine Sportart braucht man viel Mut und es erinnert mich immer wieder daran, dass man es braucht oder Dinge einfach machen sollte und nichts bereuen muss.«
Vielleicht auch Anreiz für sie, für die Zukunft doch einen Salto in ihr Programm mit aufzunehmen. In drei Jahren in Paris möchte sie jedenfalls wieder eine Medaille angreifen und ist guter Dinge, immerhin war sie die zweitjüngste Starterin. Entsprechend optimistisch zeigte sich auch ihr Trainer.
»Ich bin auf jeden Fall zufrieden. Der sechste Platz ist super für Lara. Da wurde hart dran gearbeitet und ich freue mich tierisch für sie, dass alles gut funktioniert hat. Die Konkurrenz war einfach zu stark um weiter nach vorne zu rutschen. Aber an einem guten Tag ohne Verletzung hätte es Lara weiter nach vorne schaffen können und ich bin mega stolz auf sie«, so Bundestrainer Tobias Wicke, der nun direkt mit Lessmann in das Training für Paris 2024 einsteigen will. »Wir versuchen uns vorzubereiten, weil die Qualifikation sicherlich schon bald starten wird. Wir hoffen, dass die Reisen alle stattfinden können, damit wir bei den Weltcups und großen Veranstaltungen weitere Erfahrungen sammeln können, um bestmöglich.«
Die von Tokio kann Lessmann jetzt niemand mehr nehmen.
Ruwen Möller
rm@fla.de
ERGEBNISSE
BMX Freestyle Frauen
Gold Charlotte Worthington (GBR) 97,50 Punkte
Silber Hannah Roberts (USA) 96,10 Punkte
Bronze Nikita Ducarroz (SUI) 89,20 Punkte
4. Perris Benegas (USA) 88,50 Punkte
5. Natalya Diehm (AUS) 86,00 Punkte
6. Lara Lessmann (GER) 79,60 Punkte
7. Minato Oike (JPN) 75,40 Punkte
8. Macarena Pérez Grasset (CHI) 73,80 Punkte
9. Eliaaweta Posazkich (Russisches Olympisches Komitee) 63,00 Punkte
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