Der Handball-Boss und der Achter-Schlagmann

Wenn der Deutschlandachter mit Hannes Ocik an Bord am Freitag um die olympische Goldmedaille rudert, drückt Boy Meesenburg im fernen Flensburg die Daumen. Der oberste Funktionär der SG Flensburg-Handewitt hat auch ein Ruderherz.

Hannes Ocik (2. v. unten) ist der Schlagmann im Deutschlandachter.
Hannes Ocik (2. v. unten) ist der Schlagmann im Deutschlandachter. Foto: Jan Woitas/dpa
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søndag d. 25. juli 2021 kl. 17.33

Flensburg/Tokio. Die Goldmedaille schimmert bereits durchs Wasser im Zielbereich der Ruderstrecke in der Bucht von Tokyo. Es scheint, alles könne nichts und niemand Hannes Ocik und den Deutschlandachter auf dem Weg dorthin aufhalten. 

Da war zunächst die Coronapandemie, die die Olympischen Spiele ins Jahr 2021 zwang und den Ruderern weitere 12 Monate Training unter widrigsten Umständen auferlegte. Da war im Frühjahr ein Formtief bei der EM und dann – endlich in Japan angekommen, war da zwei Tage vor dem Vorlauf plötzlich eine Unwetterwarnung. Ein Taifun war angesagt und erstmals in der Geschichte wurde ein Ruderrennen vorverlegt. Statt Sonntag ging es für Schlagmann Ocik und seine Crew am Sonnabend in das 60.000 Euro teure Hochleistungs-Boot und erstmals auf die 2000 Meter-Strecke. Und da warteten noch die Kontrahenten aus Australien, Rumänien und den USA. Doch die waren nur ein kleines Hindernis. In einer Zeit von 5:28 ,95 Minuten gewann Deutschland seinen Vorlauf und zog direkt ins Finale (Freitag, 30.7. 3:25 Uhr/live ZDF deutsche Zeit) ein.

»Was für uns ziemlich zufriedenstellend war, dass das, was wir in den letzten Monaten geübt haben und was bei der EM nicht so gut klappte, die zweiten 1.000 m, das konnten wir heute richtig geil umsetzen. Dementsprechend sind wir auch schon mal extrem stolz auf den Vorlauf«, so Hannes Ocik nach dem Vorlauf. 

Der Schlagmann des deutschen Paradebootes pflegt eine ganz besondere Verbindung nach Flensburg. Und zwar zu einem Mann, den viele in Sachen Sport zunächst mit Handball in Verbindung bringen würden: Boy Meesenburg. Der Geschäftsführer der Jacob Sönnichsen AG ist bekanntlich Beiratsvorsitzender der SG Flensburg-Handewitt, er kommt jedoch aus dem Rudersport und ist persönlicher Sponsor von Ocik. 


Neben dem Handball schlägt das Herz von Boy Meesenburg auch für den Rudersport. - Foto: Sebastian Iwersen

»Wir pflegen ein tolles Verhältnis und das geht über das eines Sponsors hinaus«, findet Ocik. »Persönlich und privat sind wir ebenfalls gemeinsam unterwegs und verstehen uns gut.« Meesenburg kann das nur bestätigen. Er hat das Ruder-Ass auch schon zum Handball-Spiel der SG eingeladen, doch bisher hat es der Terminkalender von Ocik noch nicht zugelassen. Er bezeichnet sich selber aber als begeisterten Handball-Zuschauer und findet, dass die Handballer »geile Typen« sind. In Rio 2016, als Ocik und Co. Silber gewannen, hat er einige Spieler aus dem DHB-Team kennengelernt und sich entsprechend gefreut, dass auch die Handballer in Tokio dabei sind. Selber sei er für Handball zu »unathletisch und unbeweglich«, habe aber entsprechend großen »Respekt vor der Sportart«.

Die Verbindung zum Handball-Funktionär Meesenburg entstand einst durch Maximilian Munski, mit dem Ocik gemeinsam unterwegs war. Der Lübecker Munski wurde damals von Meesenburg unterstützt. Der SG-Boss selber ist sportlich beim Rudern große geworden und hat ein »Ruderherz« wie er selber sagt. Beim Flensburger Ruderklub hat er mit dem Sport begonnen und bis es die Arbeit mit Mitte zwanzig nicht mehr zugelassen hat, auf hohem Niveau trainiert. »Ich weiß was Leistungssport bedeutet«, so Meesenburg, der von täglichen Einheiten berichtet und im Vergleich – auch zum Handball – in Bezug auf die Ruderer und deren Leistungspensum sagt: »Das ist echte Entbehrung.«

Als Student zog es Meesenburg nach Lübeck und zur dortigen Rudergesellschaft, deren Ehrenmitglied er heute ist. Weil er etwas zurückgeben wollte, engagierte er sich und nach Munskis Karriereende fiel seine Wahl auf Ocik.

»Hannes hat das gut gebrauchen können, es ist auch eine ideelle Förderung«, so Messenburg, der genau wie bei seinem Handball-Engagement bei der SG (und auch beim Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau) nie konkrete Summen nennt.

»Sein Engagement ist unverzichtbar. Boy hat mir in den letzten Jahren zu den richtigen Zeitpunkten finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, so dass ich mich fokussiert auf die Olympischen Spiele vorbereiten konnte«, so Ocik dankbar. » Er hat den Kauf eines neuen Zweier-Bootes krass unterstützt und alle Kosten die ich in Dortmund (hier ist das Leistungszentrum des Deutschen Ruderverbandes, Ocik selber lebt in Schwerin/Red.) hatte, ohne mit der Wimper zu zucken übernommen. Er hat mich  überall da unterstützt, wo er kann und auch glaubt, dass es sinnvoll ist.«

Hannes hat das gut gebrauchen können, es ist auch eine ideelle Förderung.

Boy Meesenburg über sein Engagement als persönlicher Sponsor von Hannes Ocik.

Der Sponsor bekommt als Gegenleistung oftmals Werbeflächen, ist auf der Internetseite von Ocik genannt und kann auf mediale Aufmerksamkeit hoffen, wenn der Sportler erfolgreich ist. Ocik hat noch mehr zurückgegeben, hat schon mal einen Vortrag für die Mitarbeiter von Meesenburgs Unternehmen gehalten (»Es fasziniert mich, wie sich jemand wie Hannes committed«, O-Ton Meesenburg).

Für den Schlagmann eine Selbstverständlichkeit, den vor allem nach der Verschiebung der Olympischen Spiele gingen die letzten 12 Monate hier und da an die »Substanz«, wie er verrät.

»Auch in dieser Zeit habe ich mehrfach mit Boy gesprochen. Er war wichtig in dieser schwierigen Zeit und damit meine ich nicht nur das Finanzielle, sondern auch das Menschliche, seine Einschätzung zu den Dingen.«

An diesem Punkt bricht Meesenburg eine Lanze für die Sportler wie Ocik. Bei allem Leid, was durch die Coronapandemie entstanden ist, hat er in der Diskussion um Tokio - ja oder nein oder nochmal verschieben - vermisst, dass die Athleten gehört werden.

»Ich kann die Skepsis der Bevölkerung in Japan verstehen, sehe aber auch die Menschen wie Hannes. Und die Sportler hat kaum jemand gefragt, wie es ihnen geht«, so Meesenburg. »In der Coronazeit hat Hannes auch eine große Krise erlebt. Ich habe die Förderung auch deshalb erhöht, weil er nochmal gegen die selben Mühlen antreten musste. Er hat sich durchgebissen.«

Daher sind nun auch beide froh, dass die Olympischen Spiele begonnen haben.

Ich kann die Skepsis der Bevölkerung in Japan verstehen, sehe aber auch die Menschen wie Hannes. Und die Sportler hat kaum jemand gefragt, wie es ihnen geht.

Boy Meesenburg zur Austragung der Olympischen Spiele.

Bleibt nur noch die Frage nach der Medaille und welche Farbe diese haben darf?

»Ich hoffe, mir hängt nach dem Rennen die richtige Medaille um den Hals. Die besten werden am Ende gewinnen und das ist unser Ziel«, so Ocik. Meesenburg glaubt an seinen Schützling und weiß: »Beim Rudern ist wenig Glück dabei. Nach 2000 Metern ist das beste Boot auch vorne.«


In der Bucht von Tokio will das Paradeboot des deutschen Ruderverbandes um Hannes Ocik Gold holen. - Foto: Jan Woitas/dpa

BESETZUNG

Der Deutschlandachter in Tokio

Johannes Weißenfeld

Laurits Follert

Olaf Roggensack

Torben Johannesen

Jakob Schneider

Malte Jakschik

Richard Schmidt

Hannes Ocik (Schlagmann)

Martin Sauer (Steuermann)