Es gibt immer noch viel zu gewinnen
Die SG Flensburg-Handewitt war auch am Donnerstag noch schwer getroffen und enttäuscht vom Europacup-Aus. Ein erweitertes Engagement eines Premiumpartners half, die Wunden zu lecken. Es fällt schwer, aber der Blick geht nach vorne.

Flensburg. Am Donnerstagmorgen hingen immer noch einige dunkle Wolken über der Fördestadt. Doch hier und da blinzelte auch die Sonne wieder durch und ließ an der Fassade der Firmenzentrale von Jacob Cement die großen Plakate mit den Titeln der SG Flensburg-Handewitt erstrahlen. Champions League-Sieger 2014 steht dort auf einem. Ein weiteres Königsklassen-Siegerdatum wird - zumindest vorerst - nicht dazukommen. Am späten Mittwoch (nach Redaktionsschluss) schied die SG trotz eines 33:29-Sieges gegen Aalborg Håndbold im Viertelfinale der Champions League aus. Die Dänen waren in der Gesamtabrechnung (Hinspiel 26:21) besser und stehen erstmals in der Geschichte im Final4 in Köln im Juni.
»Heute ist es noch schlimmer«, sagte Maik Machulla. Der Trainer der SG hatte die ganze Nacht »nicht geschlafen«. »Ich habe versucht, hier noch ein Tor zu finden, da noch eine Auszeit, irgend etwas, das wir hätten besser machen können. Am Ende bin ich immer wieder auf die letzten zehn Minuten im Spiel in Aalborg gekommen«, so der Coach, dessen angekratzte Stimme und Augenringe Andenken an die bittere Niederlage am Abend zuvor waren. Vor einer Woche in Dänemark hatte sein Team in der Schlussphase die Hypothek eines Fünf-Tore-Rückstandes auferlegt bekommen, die sich am Ende als zu hoch erweisen sollte.
Heute ist es noch schlimmer, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.
»Es ist besonders bitter, weil wir zwischendurch mit sechs Toren geführt haben«, sagte Boy Messenburg und sprach die Phase rund um das 26:20 in der zweiten Halbzeit an, als die SG in der Gesamtabrechnung vorne lag. Der Unternehmens-Chef der Jacob Sönnichsen AG, zu der auch die Firma Jacob Cement Baustoffe gehört, hatte am Donnerstag eingeladen, um eine Vertragsverlängerung zu verkünden.
»Normalerweise verlängern wir immer um ein Jahr, in diesen Zeiten jedoch gleich um drei Jahre«, so Meesenburg, der damit ein »Signal« an weitere Partner senden will. Immerhin ist er auch Beiratsvorsitzender der SG und will auch als solcher, sowie als Fan, dass der Club überlebt. In seinen Augen wird er das auch tun und weder Mannschaft noch einzelne Spieler sollten sich wegen des Ausscheidens in der Königsklasse grämen. »Wir definieren uns nicht über ein Spiel und Ihr Eure Karrieren auch nicht«, sagte er in Richtung Kapitän Lasse Svan und Johannes Golla, die das Team vertraten. »Was die Mannschaft in dieser Saison leistet, ist außergewöhnlich«, so Meesenburg, der die Partie gegen Aalborg auf einem Großbildschirm mit Mitarbeitern in der Firma verfolgt hatte. Dabei hatte ihn vor allem die »Moral« und das »Kämpferherz« in der zweiten Halbzeit beeindruckt.
Sichtlich wohltuende Worte für Spieler und Trainer. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke bedankte sich im Namen des Clubs für die Unterstützung und Machulla sagte: »Es ist schön, dass wir uns in dieser außergewöhnlichen Saison auf den Sport konzentrieren konnten und Ihr Euch um das Finanzielle gekümmert habt.«
Dazu, wie hoch das Engagement der Jacob Sönnichsen AG ist, wurden keine Angaben gemacht. Meesenburg verriet aber, dass es Anfang der 90er Jahre einst mit 30.000 D-Mark anfing. Aktuell hieß es von Vereinsseite lediglich: die »enge Partnerschaft« sei »deutlich ausgeweitet« worden.
Boy Meesenburg will ein »Signal« an andere SG-Partner senden. - Foto: Sebastian Iwersen
Meesenburg meinte: »Wir haben Köln nie aus finanzieller, sondern allein aus sportlicher Sicht im Auge gehabt.« Doch seit dem Triumph von 2014 ist Flensburg stets im Viertelfinale gescheitert. »2018 und 2019 war das so, am Ende sind wir aber jeweils Deutscher Meister geworden. Ich hoffe, aller guten Dinge sind drei«, hatte Machulla bereits nach Spielende gesagt. Und auch wenn es ihm schwer fiel, gab er am Donnerstag schon wieder die Richtung vor: »Es gibt immer noch viel zu gewinnen. Niemand muss sich Sorgen machen, dass uns diese Niederlage umhaut. Wenn wir Montag die Aufgabe gegen Melsungen (18.30 Uhr/live Sky) positiv bestreiten, dann kehrt auch das Lächeln wieder zurück.«
Schmäschke meinte: »Wir müssen nach vorne blicken«, und Meesenburg appellierte an das Team, sich bei allem Europacup-Schmerz jetzt auf die Meisterschaft zu konzentrieren. Die sei »noch viel mehr wert«.
Svan, auch am Donnerstag noch mit belegter Stimme und roten Augen - der Däne hatte direkt nach em Spiel mehr als eine Träne vergossen - wollte von Selbstmitleid auch nichts wissen. So bitter das Aus für ihn und die Teamkollegen war, der Spielführer meinte: »Es gibt nur einen Weg und der heißt, nach vorne schauen.« Wie das funktioniere, sei bei jedem einzelnen unterschiedlich, entsprechend gab Machulla am Donnerstag einen individuellen Tag vor. Erst am Freitag soll sich das Team wieder treffen. »Dann ist das Spiel auch abgehakt«, so Svan, der gegen Melsungen vor seinem 600. Pflichtspiel-Einsatz für die SG steht.
Selbstmitleid bringt nie etwas, dadurch erzeugt man nur noch mehr Selbstmitleid. Es gibt nur einen Weg und zwar den nach vorne.
Nicht mit dabei sein wird mit großer Wahrscheinlichkeit Benjamin Buric. Der Keeper hatte sich gegen Aalborg bei einem Siebenmeter am rechten hinteren Oberschenkel womöglich schlimm verletzt. Eine MRT-Untersuchung am Freitag soll genauen Aufschluss ergeben. Machulla dürfte sich aber schon mal die Telefonnummern der Nachwuchskeeper Felix Backhaus und Bendiks Asmuss herausgesucht haben.
Fraglich ist weiterhin auch Alexander Petersson, der gegen Aalborg nicht helfen konnte, und im Abschlusstraining vor dem Duell mit den Dänen hatte sich auch noch Gøran Søgard an der Leiste verletzt. Erfreulich immerhin für die SG: Sowohl Jim Gottfridsson als auch Magnus Rød kamen trotz Blessuren gut durch die Partie, in der Flensburg den 200. Europacupsieg der Vereinsgeschichte holte - der am Ende aber wertlos war.
Machulla bezeichnete das Aus als »bittersten« Moment seiner bisherigen Trainerlaufbahn. Trotzdem mache ihm der Job immer noch »Spaß«. Er sagte: »Man kann nicht immer nur gewinnen.« Dabei huschte ihm sogar wieder ein leichtes Lächeln über die Lippen und aus SG-Sicht ist klar: Der Handball-Himmel soll schon möglichst bald wieder völlig wolkenlos sein.
Maik Machulla war am Tag nach dem Champions League-Aus immer noch schwer gefrustet. - Foto: Sebastian Iwersen
Ruwen Möller
rm@fla.de
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