Juri Knorr - auf einem Sonderweg

Der gebürtige Flensburger verpasst die Europameisterschaft im Januar weil er nicht geimpft ist und als nicht mehr genesen gilt. Er wird deshalb mit Joshua Kimmich verglichen, wehrt sich jedoch genau wie der Fußballer dagegen, ein Corona-Leugner zu sein.

Juri Knorr verpasst die EM.
Juri Knorr verpasst die EM. dpa
mandag d. 27. december 2021 kl. 7.01

Handball

Michael Wilkening

Mannheim. Es war für die Rhein-Neckar Löwen und viel mehr noch für Juri Knorr ein Vorteil, dass die letzte Partie des Handball-Bundesligisten vor Weihnachten beim HC Erlangen angesetzt war. Die etwa 200 Kilometer lange Anreise nahmen die Badener erst am Spieltag auf sich, direkt nach der Partie ging es mit dem Mannschaftsbus zurück. Eine Übernachtung im Vorfeld in der Nähe des Spielortes, wie oft üblich, entfiel – so dass Knorr um einen PCR-Test herumkam. In Bayern gilt bei beruflich notwendigen Hotelübernachtungen seit ein paar Tagen die 3Gplus-Regelung, was bedeutet, dass ungeimpfte Personen bei Anreise einen negativen PCR-Test vorlegen müssen. Dieses Prozedere blieb dem 21-Jährigen erspart, denn für Knorr hätte die Regelung gegolten, da er ungeimpft ist und als nicht (mehr) genesen gilt. Der Hoffnungsträger seiner Sportart muss in diesen Tagen ohnehin schon viel über sich ergehen lassen, denn in der Öffentlichkeit wird der Rückraumspieler unter anderem als „Kimmich des Handballs“ tituliert.

Der Fußballprofi und Nationalspieler vom FC Bayern München bestimmte eine ganze Weile die Debatte um Corona-Impfungen bei Sportlern, weil er zunächst erklärte, sich nicht impfen lassen zu wollen und anschließend nach einer Infektion wochenlang nicht spielen konnte. Zuschauen muss im Januar auch Juri Knorr, allerdings nicht wegen einer Infektion mit dem Corona-Erreger. Bei der Handball-Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn hat der europäische Verband (EHF) eine 2G-Regel für die Spieler festgelegt, so dass Bundestrainer Alfred Gislason die Nachwuchshoffnung nicht in sein Aufgebot berufen konnte. Knorr sollte beim Turnier im Januar und in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle in der Nationalmannschaft einnehmen, er gilt als Ausnahmetalent auf der Spielmacherposition – mit seiner Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, hat er sich nun aber – zumindest vorläufig – ins Abseits manövriert.

„Ich bin kein Corona-Leugner“, sagte Knorr unlängst dem „Mannheimer Morgen“. Der 21-Jährige verwehrt sich gegen den Eindruck, er würde Verschwörungstheorien anhängen. Im Umfeld seines Klubs in Mannheim sorgte er mit Äußerungen hinsichtlich der Pandemie dennoch hin und wieder für Erstaunen. Alle Teamkollegen sind inzwischen vollständig geimpft. „Mich hat es selbst schwerer erwischt als andere in meinem Alter. Deswegen nehme ich diese Krankheit ernst“, erklärte Knorr. Im November des vergangenen Jahres hatte sich der Handballer mit dem Corona-Virus infiziert und im Gegensatz zu vielen anderen Profisportlern starke Symptome entwickelt. Knorr fiel einige Wochen aus, hatte mit den Folgen der Erkrankung zu kämpfen.

Diese Erfahrung führte nach der Entwicklung der Impfstoffe nicht zu dem Entschluss, sich ein Vakzin spritzen zu lassen. Knorr geht einen anderen Weg. Statt einer Impfung setzt er seit seiner Genesung auf eine regelmäßige Bestimmung seiner Antikörper sowie seiner Covid-19-spezifischen T-Zell-Antwort. „Ich vertraue diesen medizinisch bestätigten Ergebnissen in Bezug auf meine natürliche Immunität über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus“, sagte er. Weil seine Erkrankung inzwischen mehr als zwölf Monate zurückliegt, gilt er – ungeachtet der Antikörper in seinem Blut – als weder geimpft noch genesen.

Knorr ist von seinem Weg im Umgang mit dem gefährlichen Virus überzeugt. In seinem Umfeld erklärte er, auf die Entwicklung eines Totimpfstoffs zu warten. Die Verantwortlichen im Verein und beim Deutschen Handballbund (DHB) müssen den Sonderweg hinnehmen, dürften aber die Faust in der Tasche ballen. „Wir müssen seine Einstellung akzeptieren und werden das nicht weiter bewerten“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

Juri Knorr ist ein Handballer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Der 21-Jährige hat die Anlagen, um in den kommenden Jahren eine prägende Rolle in der Nationalmannschaft einzunehmen. Technik und taktisches Verständnis bieten ihm die Basis, zu einem Weltklasse-Handballer zu werden. Auf dem Feld verfügt der Sohn des langjährigen Nationalspielers Thomas Knorr über den richtigen Instinkt, wenngleich er im Moment noch sehr schwankend in seinen Leistungen ist.

In Interviews ist der außerhalb des Handballfeldes introvertierte junge Mann unangepasst, bei der Weltmeisterschaft vor knapp einem Jahr in Ägypten äußerte er kritisch sich zu den Zuständen im Gastgeberland. „Es ist natürlich schwierig, wenn man aus dem Bus schaut und sieht, dass wir von ziemlicher Armut umgeben sind. Das nimmt mich persönlich ziemlich mit“, erklärte Knorr, der ein sehr enges Verhältnis zu seinem Vater Thomas hat.

Bei der EM in ein paar Wochen fehlt Knorr der deutschen Mannschaft. Die wäre mit ihm besser aufgestellt. Es gibt einige Stimmen in der Handball-Szene, die behaupten, dass Knorr geimpft und als Teil des Teams ebenfalls besser dran wäre.