Die Geschwister Golla: Handball im Blut

Genau wie ihr Bruder Johannes spielt auch Paulina Golla erfolgreich in der Bundesliga. Seit diesem Sommer beim VfL Oldenburg. Auch sie möchte ins Nationalteam und erklärt wie die Handball-Geschwister Golla ticken.

Paulina Golla mit ihrem Bruder Johannes.
Paulina Golla mit ihrem Bruder Johannes. Privatfoto
sport@fla.de
torsdag d. 16. september 2021 kl. 9.03

Flensburg/Oldenburg. Unter dem Buchstaben H taucht im Duden ein Fehler auf. Der Superlativ des Adjektivs »hart« muss nach der vergangenen Saison verändert werden, in ein Wort mit G: Golla. Der Kreisläufer der SG Flensburg-Handewitt Johannes Golla hat ein Spieljahr hinter sich, das seinesgleichen sucht. Dass Handball-Profis ein enorm hohes Tempo an Spieltagen zu absolvieren haben, ist bekannt. Golla aber hat körperlich und handballerisch scheinbar alles mitgenommen, was ging. Im Schnelldurchlauf: Verletzung, Bundesliga, Champions League, Weltmeisterschaft, Corona-Infektion, Geburt des ersten Kindes, Meisterkampf in der Bundesliga, Olympische Spiele. Und das alles mit einer Fußnote versehen: Die Leistung brach nicht ein.

Wie geht das? »Das ist eine gute Frage«, sagt Gollas Schwester Paulina und lacht. Sie ist selbst Bundesligaspielerin, in diesem Sommer vom Buxtehuder SV zum VfL Oldenburg gewechselt. »Wir als Familie haben schon mitbekommen, dass so ein Jahr natürlich zehrt. Das Pensum war Wahnsinn.« Sie hat aber eine Theorie: »Die Geburt des Babys hat ihn natürlich beflügelt. Dieser besondere Moment kann in schwierigen Situationen helfen.« Trotzdem stellt sie klar: »So ein Jahr kann kein Sportler noch einmal durchziehen.«

Wir als Familie haben schon mitbekommen, dass so ein Jahr natürlich zehrt. Das Pensum war Wahnsinn.

Paulina Golla, kleine Schwester

Nicht mehr wegzudenken

Johannes Golla ist 23 Jahre alt und hat in den vergangenen Jahren eine sportliche Entwicklung genommen, die selbst Superlative sucht. Er ist aus dem Spiel der SG nicht mehr wegzudenken, weder aus dem Innenblock hinten, noch vorn am Kreis in der Offensive. Auch Bundestrainer Alfred Gislason weiß, was er an Golla hat: Bei der WM im Januar zählten die Statistiker eine Wurfquote von 80 Prozent. Das ist Weltklasse. »Johannes ist einfach sehr fleißig und diszipliniert«, erklärt Paulina. »Er ist schon mit 17 ausgezogen, da ging er nach Melsungen. Dort hat es angefangen. Er hat schnell gemerkt, dass er Talent hat, aber eben auch noch mehr arbeiten muss. Deshalb musste er auf vieles verzichten. Aber es hat sich gelohnt.« Selbstlob aber findet man bei Johannes nicht. »Wir sind beide sehr bodenständig«, erzählt die 20-Jährige kleine Schwester. Nicht jeder schaffe es, so bescheiden zu sein. »Er weiß, was er möchte, er weiß, wie sehr er dafür arbeitet. Er hat dann aber schon neue Ziele und ruht sich nie aus. Das ist ein Vorbild für mich. Das haben wir auch von zu Hause mitbekommen: dass man dankbar dafür ist, woher man kommt und was man schon erreicht hat.«

Die Wurzeln der Handball-Geschwister Golla liegen in Rüdesheim am Rhein in Hessen. Handball stand immer schon hoch im Kurs, da wurde auch schon mal im Garten die Hecke als Tor genutzt. »Ich weiß gar nicht, ob man das in einer Flensburger Zeitung sagen darf…«, lacht Paulina: »Aber wir haben, als wir klein waren, schon eher mit dem HSV Handball mitgefiebert. Und nach dem Abstieg des HSV mit Kiel.« Um dann gleich Schadensbegrenzung zu betreiben: »Das hat sich mit Johannes’ Wechsel nach Flensburg natürlich geändert. Jetzt ist der THW der Erzfeind.« 


Johannes Golla ist am Kreis der SG nicht mehr wegzudenken. - Foto: Lars Salomonsen

Facetime

Sie berichtet von Sommerurlauben in der Hansestadt und Besuchen beim Training. »Ich habe Pascal Hens immer bewundert. Er kam auch aus unserer Gegend, ich fand ihn klasse. Auch zu den Lijewski-Brüdern habe ich aufgeschaut, da sie aus Polen kommen, wie unser Vater.« Auch nach der Hamburger Insolvenz habe die Familie den Hamburger Weg weiter verfolgt: »Es ist schön, dass Hamburg wieder da ist. Wenn Johannes mit der SG in Hamburg spielt, bin ich natürlich in der Arena.« 

Um sich nicht nur an Spieltagen zu sehen, sehen sich die Geschwister oft über das Handy. »Wir facetimen regelmäßig«, sagt Paulina, »versuchen uns aber auch so zu sehen, so oft es geht.« Zu Buxtehuder Zeiten ging es öfter als nun in Oldenburg. Dass es auch Johannes’ Schwester in den Norden zog, war Zufall: »Es gab nicht den Masterplan der Familie Golla, dass wir in den Norden müssen. Unseren Eltern hätte es besser gefallen, wenn wir im Süden geblieben wären«, sagt sie. »Aber Buxtehude hat mich überzeugt. Und nun möchte ich den nächsten Schritt gehen, in Oldenburg noch mehr Spielanteile erhalten«, erklärt die ehrgeizige Rückraumspielerin. »Ich möchte natürlich auch irgendwann mal im Nationalmannschafts-Trikot auflaufen, in der Jugend habe ich das schon getan. Das ist natürlich ein Ziel.« 

Dafür arbeitet sie hart. Mehr als acht Wochen Vorbereitung wird Oldenburg beim Saisonstart in den Knochen haben. »Ich spiele hinten vor allem im Innenblock«, beschreibt Golla ihr Spiel. »Ich bin nicht die Größte, daher bin ich aggressiver, führe mehr Zweikämpfe. Ich mag das körperliche Spiel. Auch vorn werfe ich nicht über den Block, sondern suche das körperliche Spiel. Anders geht es nicht.« Da komme ihr das Oldenburger Tempo-Spiel zugute.

Vor Paulina Golla und ihrem Bruder Johannes liegt wieder eine lange Saison. »Aber wir haben beide viel vor«, sagt sie. Und ist sich sicher, dass ihr Bruder trotz kürzerer Pause nach Olympia auch in dieser Saison wieder starke Leistungen bringt. »Aber am Wichtigsten ist, dass wir beide gesund bleiben.«