Enfant terrible auf dem Feld - mit Glamourfaktor in der Modewelt

Um mit Eric Sindermann Kontakt aufzunehmen, machen wir dasselbe wie er, als er seine Karriere ankurbeln wollte. Dazu später mehr. Wir schreiben ihm via Instagram eine Nachricht. Die Antwort folgt innerhalb weniger Minuten: Ein Interview? Na klar! Das zeigt zum Einen, wie aufgeschlossen der ehemalige Handballer der SG Flensburg-Handewitt ist. Und zum anderen, dass er jede Form von medialer Berichterstattung gut gebrauchen kann. Any Press is good press, jede Form von Aufmerksamkeit kann helfen. Denn Eric Sindermann will ganz groß rauskommen: „Ich will der größte Modedesigner der Welt werden.“ Und dafür müssen die Leute einen kennen. Aus diesem Grund hat der 33-Jährige im August bei „Promi Big Brother“ teilgenommen, war zuvor schon in der TV-Reality-Show „Ex on the Beach“ zu sehen.

Eric Sindermann (am Ball)  lief in der Jugend einst für die SG Flensburg-Handewitt auf.
Eric Sindermann (am Ball) lief in der Jugend einst für die SG Flensburg-Handewitt auf. Archivfoto
torsdag d. 9. september 2021 kl. 13.25

Sindermann lebt in Berlin und hat die Marke „Dr. Sindsen” gegründet. Ein Modelabel, das unter anderem Hoodies und Bauchtaschen entwirft. „Das ist meine Welt. Es bringt unglaublich viel Spaß”, schwärmt Sindermann von seiner Arbeit. Man merkt ihm an, wie er in dieser Tätigkeit aufgeht. Das war nicht immer so. Auch im Handball wollte er hoch hinaus, wechselte mit 14 Jahren in die Jugendabteilung der SG Flensburg-Handewitt. Wer heute über ihn spricht, erinnert sich an einen hochtalentierten jungen Mann, der sich jedoch selbst im Weg stand. Das sagt auch Sindermann selbst: „Ich wollte zu schnell zu viel.” Schnell war bei der SG wieder Schluss, er wurde aufgrund von Konflikten nach zwei Jahren suspendiert und wechselte nach Tarp. Auch dort gab es Ärger. Auf der Platte überzeugte er, wurde Torschützenkönig der Regionalliga - neben der Platte fiel er negativ auf. 

So wechselte er von einem Verein zum nächsten. Glücklich wurde er selten. Hamm, Anhalt Bernburg, Bad Blankenburg, Vereine in Katar und im Libanon, auch in Rumänien spielte er ein halbes Jahr. Zudem gab es nochmal ein indirektes Wiedersehen mit seiner Flensburger Vergangenheit. Im Sommer 2012 ging es für einige Zeit zu Nøtterøy Håndball, wo er an der Seite von SG-Legende und Handball-Gott Johnny Jensen auflief. „Ich war überall und nirgends”, sagt Sindermann zu seiner sportlichen Odyssee. Eine lange Vita, überall mit Ärger verbunden. 2014 beendete er seine Karriere, wenn man sie so nennen will, beim MTV Altlandsberg. Einer der Menschen, die er in diesen Jahren traf, ist Mirko Spiekermann. 

Nerven schwer im Griff

„Ich habe Eric in der Landesauswahl kennengelernt“, erzählt der heutige Trainer der A-Jugend des MTV Lübeck, mit der er im August in die Bundesliga einzogen ist., „Sportlich kann ich wirklich nichts Schlechtes sagen, nur die Nerven hatte er selten im Griff.“ Bis heute aber würden sie Kontakt halten. „Er ist ein feiner Kerl. Als wir 2019 im Länderpokal in Berlin gespielt haben, kam er extra vorbei. 2020, noch vor Corona, hat er mich zu seiner Modenschau eingeladen.“ Spiekermann nahm die Einladung an - und sah einen völlig veränderten Sindermann. „Ich glaube, er hat aus den Handball-Jahren viel gelernt. Er hat sich nun ein anderes Ziel gesetzt, dass er ehrgeizig verfolgt. Ich hätte ihm das nie zugetraut, aber all das zu organisieren, mit rotem Teppich und Empfang, das war klasse.“

Vor vier Jahren gründete Sindermann „Dr. Sindsen“. „Ich wollte immer schonmal Doktor werden, aber schulisch hat es nicht gereicht“, lacht er. „Deswegen habe ich mir den Titel einfach selbst gegeben.“ Als „luxeriöse Streetwork-Kleidung im Barock-Stil“ beschreibt er selbst die Produkte, die er vertreibt. „Angefangen hat es vor vier Jahren, als ich T-Shirts und Bauchtaschen bedruckt habe. Ich war zuvor im Berghain, dem Berliner Club, in dem ich eine Bauchtasche getragen habe.“ Die anderen Menschen hätten nicht gewusst, wo sie ihre persönlichen Dinge beim Feiern verstecken konnten und fingen an, ebenfalls Bauchtauschen zu nutzen. „Und als die anderen Menschen das nachgemacht haben, habe ich gesehen: Ich inspiriere Leute. Wenn du es schaffst, dass die Anderen auch so etwas tragen, ist das doch ein gutes Zeichen.“ 

Fast nackt

An Selbstbewusstsein mangelt es ihm freilich auch heute noch nicht, wie folgende Geschichte zeigt: „Ich habe mich fast nackt, nur mit meiner selbst kreierten Bauchtasche vors Berghain gestellt. Ich kämpfe mit allen Mitteln, um meine Marke bekannter zu machen.“ Wer fleißig ist, am Ball bleibt, der wird belohnt: „Vor zwei Jahren habe ich die Nachricht von dem bekannten Modedesigner Harald Glööckler bekommen, dass wir zusammenarbeiten könnten. Das war mein schönster Tag, weil ich wusste: Das wird ein Meilenstein.“ Und wie bekommt man einen Job bei „Glööckler“? Man schreibt ihm in den sozialen Netzwerken - womit wir wieder am Anfang dieser Geschichte sind. „Das habe ich auch gemacht, aber nur wenige Hoffnungen gehabt“, erzählt Sindermann. „Prominente Personen bekommen schließlich viele Nachrichten. Aber: er hat mir geantwortet.“ Er habe „Glööckler“ geschrieben, er wolle in der Branche Fuß fassen und sei sehr ehrgeizig. „Seine Antwort hat mir Mut gemacht, er hat mir Tipps gegeben. Daraufhin habe ich ihn jeden Monat mit neuen Nachrichten genervt, sodass er meinen Weg verfolgt hat.“ Die Arbeit für und mit Harald „Glööckler“ Glöckler sei hart gewesen. „Er hat mir beigebracht, wie es in der Showbranche läuft. Aber ich habe alles aufgesogen. Wäre ich auch früher beim Handball so ruhig gewesen, wäre ich heute noch Handballer.“

Mittlerweile designe er für prominente Personen wir Claudia und Stefan Effenberg. „Ich habe mir in der Szene einen Namen gemacht“, stellt Sindermann fest. Wie wäre es da mal mit einer Kollektion für den Handballsport? „Warum nicht? Das kann ich mir vorstellen. Aber ich habe mittlerweile auch Ansprüche, da muss es schon für einen Erstligist sein“, stellt er klar. Der selbsternannte Doktor geht seinen Weg: „Ich habe schon immer getragen, was ich wollte. Das bleibt auch so. Ich habe endlich das gefunden, was ich wirklich ernsthaft machen möchte.“ Es bleibt der Eindruck, dass Sindermann nach langen Jahren der Suche endlich angekommen und mit sich selbst im Reinen ist.

Finn-Ole Martins

Der Text ist aus unserer Sonderbeilag "Handball im Norden", die am Donnerstag, den 9. September 2021 erschienen ist. Die gesamte Ausgabe gibt es hier.