Raus mit großem Kämpferherz

Die SG Flensburg-Handewitt ist im Viertelfinale der Königsklasse an Aalborg Håndbold gescheitert.

Das Viertelfinale gegen Aalborg tat weh. Johannes Golla bekam das zu spüren.
Das Viertelfinale gegen Aalborg tat weh. Johannes Golla bekam das zu spüren. Foto: Sebastian Iwersen
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onsdag d. 19. maj 2021 kl. 22.30

Flensburg. Seit dem Titelgewinn 2014 hat es die SG Flensburg-Handewitt nicht mehr ins Final 4 der Champions League nach Köln geschafft. Und dabei bleibt es auch vorerst. Wie immer in den letzten Jahren war auch diesmal im Viertelfinale Endstation. Nach der 21:26-Hinspielniederlage gegen Aalborg Håndbold gewann die SG im Rückspiel zwar mit 33:29 (14:16), allein es reichte nicht in der Endabrechnung. Damit schied die SG aus und der dänische Meister zog erstmals ins Halbfinale der Königsklasse ein. Bitter für die Norddeutschen, hatten sie zwischenzeitlich beim 26:20 den Rückstand aufgeholt. Und das obwohl sich Keeper Benjamin Buric während der ersten Halbzeit verletzte und es diverse weitere Rückschläge zu verkraften gab.

Die SG konnte trotz aller Fragezeichen (wir berichteten) im Vorfeld mit Jim Gottfridsson von Beginn an spielen. Alexander Petersson war ebenfalls im Kader, saß aber wie immer zunächst auf der Bank. Magnus Rød war wie angekündigt fit und auch sein Landsmann Torbjørn Bergerud durfte anfangen. Zwischen Angriff und Abwehr wechselten bei der SG die beiden ehemaligen Aalborg-Akteure, Mads Mensah Larsen und Simon Hald.

Die SG geriet gleich mit einem Tor in Rückstand und hatte anfangs einige nervöse Aktionen drin. Es war klar: viel steht auf dem Spiel. In der Abwehr waren die Gastgeber wie von Coach Maik Machulla diesmal in Sachen Einsatz sofort zur Stelle. Es half aber nicht unbedingt, denn Aalborg begann stark und fand immer wieder Magnus Saugstrup am Kreis. Mit seinem dritten Tor traf der Weltmeister zum 6:4 (8.) für die Gäste. 

Die SG nun mit Wurfpech, Mensah Larsen scheiterte an der Latte, weniger später ging an weiterer Ball an den Pfosten. Aalborg hingegen kam per Konter zum 8:5 (12.). Zu diesem Zeitpunkt humpelte Gottfridsson bereits schwer, sein Pferdekuss in der Wade machte sich ganz offensichtlich bemerkbar. 

Nicht auszuhalten

Auf der Tribüne hielt es Dierk Schmäschke schon nicht mehr aus, stand immer wieder auf - die Verzweiflung war ihm anzusehen. Am Spielfeldrand peitschte Machulla sein Team an, doch Aalborg führte die SG in dieser Phase vor.

Erst brachte Machulla Benjamin Buric im Tor, um direkt nach dem 7:11 aus SG-Sicht bei genau 15 gespielten Minuten eine Auszeit zu nehmen. Der Coach war sauer, ihm gefielen vor allem die Lücken in der Abwehr nicht und er forderte mehr Engagement am Kreis.

Lasse Svan verkürzte zum 9:11 (18.) und Golla rief seinen Mitspielern zu: “Komm Jungs, das holen wir jetzt auf”. Der deutsche Nationalspieler war es selber, der wie ein Schlangenmensch abtauchte, um das 10:11 (20.) zu erzielen. Flensburg war jetzt drin und Rød gelang der Ausgleich (11:11/21.). Die SG-Spieler, vor allem Rød, Mensah und Gottfridsson warfen sich mit allem was sie hatten, rein, erzielten das 12:12 (23.) und zwangen die Dänen zur Auszeit. Alleine aufgeholt hatte die SG bis hierhin noch nichts.

Schockmoment

Und es kam noch schlimmer. Rød kassierte eine Zeitstrafe und Aalborg erhielt einen Siebenmeter. Diesen verwandelte Sebastian Berthold und Buric verletzte sich dabei. Der Keeper lag auf dem Rücken, hielt sich das rechte Bein im Bereich des Unterschenkels und sein lauter Aufschrei vor Schmerzen war nicht zu überhören. Er wurde sofort in die Kabine gebracht und Bergerud kam zurück.

Im nächsten Moment erwischte es Mensah Larsen. Der Däne, zuvor bereits am linken Ellenbogen sowie der Hüfte getroffen, bekam in einem Zweikampf erneut etwas ab und musste mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Bank. 


Schockmoment: Benjamin Buric verletzte sich. - Foto: Sebastian Iwersen

Flensburg bekam das Spiel unter all diesen Umständen nicht in den Griff. Hinzu kamen etliche Pfiffe der beiden Schiedsrichterinnen, mit denen das SG-Lager milde gesagt unzufrieden war. Er herrschte ein wenig Ratlosigkeit an der Seitenlinie, was zu tun ist. Rød gab auf dem Feld die Antwort und traf zum 14:15. Beim nächsten Angriff wurde er im Zweikampf heftig gefällt. Felix Claar kassierte für das Foul mit dem Pausenpfiff seine zweite Zeitstrafe, der Freiwurf brachte der SG aber nichts mehr ein und somit ging es mit einem 14:16-Rückstand in die Pause.

Erste Führung

Trotz aller Rückschläge kam die SG bärenstark aus der Kabine. Beim 18:17 (34.) erzielte Golla die erste Führung für seine Farben und Kapitän Svan legte mit einem gefühlvollen Dreher zum 19:17 (36.) nach. Noch in der selben Minute gelang ihm das 20:17 und Barthold bekam eine Zeitstrafe. Erstmals in diesem Viertelfinale - das Hinspiel mitgerechnet - hatte die SG das Momentum für sich. Es war förmlich zu spüren, wie die Aalborg-Spieler, die noch nie in so einer Situation gestanden hatten, den Kopf einschalteten.

Der überragende Rød erhöhte auf 21:17 (38.), Aalborg-Coach Stefan Madsen warf die grüne Karte: Auszeit.

Die SG blieb vorne. Bergerud hielt per Siebenmeter gegen Barthold und auf der anderen Seite machte es Wanne besser: 23:19 (43.). Unglaublich, aber Rød erzielte sofort danach das 24:19 (44.), die SG hatten den Rückstand aufgeholt. Aalborg wechselte den Keeper. Mikael Aggefors, Held des Hinspiels, ging raus, Simon Gade kam in den Kasten.

Es war jetzt ein Handball-Krimi. Mit jedem Treffer kippte der Ausgang des gesamten Viertelfinals in die eine oder die andere Richtung. Svan zum 25:20 (45.) - die SG lag unterm berühmten Strich wieder vorne. Golla erhöhte auf 26:20 und nach dem 21:26 von Felix Claar war das Hinspiel-Resultat komplett egalisiert.

Bittere Szene für die SG. Beim Stand von 27:21 wurde Svan beim Wurfversuch hart angegangen, der Pfiff blieb - wie bei einer ähnlichen Szene im ersten Abschnitt - auch diesmal aus. Der Kapitän verzog komplett. Während Aalborg traf, lag er noch am Boden und musste anschließend vorübergehend ausgewechselt werden. Marius Steinhauser ersetze ihn. Machulla nahm eine Auszeit (27:22/49.).

Die Schlussphase

Es war längst ein harter Fight. Svan - wieder zurück - revanchierte sich bei seinem Gegenspieler Barthold und schickte diesen bei nächster Gelegenheit zu Boden. Die Szene war ein weiterer Beleg dafür, wie viel auf dem Spiel stand und mit wie viel Herz und Leidenschaft beide Seiten zu Werke gingen. Svan kassierte allerdings eine Zeitstrafe. Doch in Unterzahl erhöhten seine Teamkollegen wieder auf 29:24 (54.). Durch die mehr erzielten Auswärtstore waren die Dänen zu diesem Zeitpunkt in der Endabrechnung aber noch vorne.

Flensburg unterliefen Fehler und vor allem rannte ihnen die Zeit davon. Teammanager Lars Christiansen gestikulierte auf der Tribüne, auf der es Aalborgs Boss Jan Larsen schon lange nicht mehr auf seinem Sitz hielt. 

Die letzten Minuten brachen beim Stande von 30:27 an. Søgard agierte nun in einer vorgezogenen Deckung auf der Spitze. Svan zum 31:27 (58.). Die Gäste verkürzten und sofort nahm Machulla seine letzte Auszeit. Offen Deckung. Svan gelang ein schneller Doppelpack zum 33:28 und Barthold bekam nochmals eine Zeitstrafe (60.). Genau bei 59:31 Minuten nahm Aalborg seine letzte Auszeit. Die Dänen konnten den letzten Angriff runterspielen und trafen zum 33:29. Während Aalborg jubelte, gingen die Köpfe bei der SG zu Boden. Sichtlich angefressen diskutierte Machulla mit den Schiedsrichterinnen nach Abpfiff. Sein Team versammelte sich zum Kreis. Die Spieler waren sichtlich fertig und ausgeschieden.

STATISTIK

SG Flensburg-Handewitt - Aalborg Håndbold 33:29 (14:16)

SG Flensburg-Handewitt: Buric, Bergerud - Golla 9, Hald, Wanne 4/1, Jøndal, Steinhauser, Mensah Larsen 3, Søgard Johannessen, Gottfridsson 1, Holpert n. e., Petersson n. e., Rød 9, Svan 7

Aalborg Håndbold: Aggefors, Gade - Jakobsen 1, Samuelsson, Rasmussen, Barthold 4/1, Claar 7, Sandell 3, Læsø 5, Saugstrup 5, Holst, Marcher 2, Christiansen, Møllgaard 2, Antonsen, Juul 1/1

Schiedsrichterinnen: Charlotte/Julie Bonaventura

Zuschauer: Keine

Siebenmeter: 1/1:3/2 (Bergerud hält gegen Barthold)

Zeitstrafen: 5:6 (Golla, Rød, Svan 2, Søgard - Claar 2, Antonsen, Christiansen, Barthold 2)