Die SG beeindruckt immer weiter

Die SG Flensburg-Handewitt gewann das 104. Landesderby gegen den THW Kiel und eroberte Platz eins zurück. Entschieden ist der Titelkampf aber noch lange nicht.

Derbysieger im 104. Vegleich mit dem THW Kiel: die SG Flensburg-Handewitt.
Derbysieger im 104. Vegleich mit dem THW Kiel: die SG Flensburg-Handewitt. Foto: Lars Salomonsen
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søndag d. 28. marts 2021 kl. 17.01

Flensburg. Es dauerte eine ganze Zeit, bevor Maik Machulla für das letzte Interview des Abends bereit war. »Tut mir leid, ich musste mir erstmal ein Getränk auf den Sieg genehmigen«, entschuldigte sich der Trainer der SG Flensburg-Handewitt, als er im Umlauf der leeren Flens-Arena bereit stand. Die Freude über den 31:28-Sieg seines Teams gegen den Erzrivalen THW Kiel funkelte aus seinen Augen. Die stolz geschwellte Brust war ebenfalls nicht zu übersehen und es war ganz deutlich: dies war kein gewöhnlicher Sieg.

Machulla gewinnt mit seinem Team statistisch gesehen deutlich häufiger als das er verliert. Zu Hause sowieso. Im 104. Landesderby blieb die SG zum 47. Mal am Stück in eigener Halle in der Bundesliga unbesiegt (45 Siege, 2 Remis). Er ist also ein routinierter Gewinner. Doch dieser Erfolg fasste ihn an - im positiven Sinne. Dass Adrenalin pumpte noch durch seinen Körper, die Stimme war von den vielen Lautstarken Anweisungen während der 60 gutklassigen und spannenden Minuten belegt. Er war geschafft, aber zufrieden. Glücklich über zwei Punkte, die zurückeroberte Tabellenführung und darüber, dass sein taktischer Plan gegen den THW komplett aufgegangen war.

»Wenn ich das im Vorfeld erwartet hätte, wären wir keine Realisten. Am Freitag hatte ich schon so meine Zweifel«, gab Machulla zu. Im Training hatte er versucht, den THW zu kopieren. Aufgrund der Personalnot, es fehlten verletzt oder weil in Quarantäne Franz Semper, Jacob Heinl, Lasse Møller, Simon Hald und Mads Mensah Larsen, musste er dabei sogar auf Co-Trainer Mark Bult und Funktionär Lars Christiansen zurückgreifen. »Magnus Jøndal haben wir als Sander Sagosen verkleidet«, sagte Machulla scherzhaft.

»Dass die Mannschaft das leisten kann hat sie die ganzen letzten Monate gezeigt. Wir machen das Beste aus jeder Situation, lammentieren nicht, aber trotzdem war das so nicht zu erwarten. Von daher bin ich wahnsinnig stolz und es bedeutet mir viel für die Zukunft, dass die Jungs gesehen haben, wie gut sie sind.«

Machulla kontra Klein

Machulla verschloss nicht die Augen davor, dass dem THW neben Langzeit-Patient Nikola Bilyk vor allem Welthandballer Niklas Landin (Quarantäne) fehlte und im Laufe des Spiels auch Handballer de Jahres Hendrik Pekeler sowie dessen Vertretung Pavel Horak wegbrachen.

Dennoch wunderte er sich darüber, dass Dominik Klein angesichts der SG-Personalsituation davon sprach, dass die Hausherren ihrer Favoritenrolle »gerecht geworden« seien. »Da muss ich TV-Experte Klein widersprechen«, sagte Machulla in der ARD, die eine Einschaltquote von 1,86 Millionen Zuschauern (8,1 Prozent Marktanteil) zu verzeichnen hatte. Machulla fand, dass eine solche Behauptung eines Fernseh-Experten, der viele Jahre in Kiel gespielt hat, im öffentlich-rechtlichen TV »fragwürdig« sei.

17 Schweden-Tore

Es belastete ihn jedoch nicht weiter, schließlich hatte sein Team zum wiederholten Mal in dieser Saison gezeigt, dass es noch so viele Rückschläge wegstecken kann. Machulla selbst weiß, dass irgendwann tatsächlich Grenzen erreicht sind, gegen Kiel war das aber auch ohne fünf noch nicht der Fall.

»Viel darf aber nicht mehr passieren«, so der SG-Trainer, der darauf baut, dass seine beiden dänischen Zweifach-Weltmeister Simon Hald und Mads Mensah Larsen am Donnerstag im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Zagreb wieder im Kader stehen.

»In dieser Konstellation schaffen wir keine drei, vier Spiele«, gab Machulla zu. Für ein Nordderby reichte es aber. »Wir hatten sicherlich ein paar mehr Tage Vorbereitungszeit«, gab Machulla zu. Während der THW noch am Mittwoch im Einsatz war, lag das letzte SG-Pflichtspiel drei Wochen zurück. »Anfangs hat uns schon etwas das Timing gefehlt«, gestand Jim Gottfridsson und erklärte die von einigen Fehlern geprägte Anfangsphase der SG. Er selber sah dabei auch nicht immer gut aus und Machulla hatte bereits Befürchtungen. Doch der Schwede fing sich und war am Ende einer der Matchwinner im SG-Trikot. Gemeinsam mit Landsmann Hampus Wanne trug er 17 Treffer zum Sieg bei und überragte vor allem in der Schlussphase als entscheidender Spielgestalter. »Die Pause vor dem Spiel tat mir gut«, so der Schwede, der einen Schlüssel zum Erfolg darin sah, dass alle von vorneherein wussten, dass die Personaldecke eng war.

»Heute konnte sich keiner verstecken«, so Machulla, der froh war, dass Youngster Magnus Holpert ebenso ein paar Minuten mitwirken konnte wie Alexander Petersson. Der Isländer ersetzt nach sechs Wochen Verletzungspause phasenweise Magnus Rød. Der Norweger hat mal wieder einen Schlag ins Gesicht bekommen und konnte später nach einem Zusammenstoß mit Landsmann Sander Sagosen nur noch in der Abwehr agieren (»Ich hoffe, es ist nichts schlimmes«, so Machulla dazu). Petersson spielte jedoch seine ganze Routine aus und meinte hinterher: »Das war ein gutes erstes Liga-Spiel für mich mit einem Sieg gegen Kiel.«

Nachdem die Gäste sich eine 6:3-Führung (11.) erspielt hatten, holte Flensburg auf und war zur Pause mit 17:15 vorne. Während es die Kieler mit dem ehemaligen SGer Mattias Andersson im Tor versuchten, setzten die Hausherren im Spielverlauf auf Torbjørn Bergerud statt Benjamin Buric. Doch die Keeper waren auf beiden Seiten wenig ausschlaggebend. SG-Kreisläufer Johannes Golla hatte in der eigenen Abwehr den ausschlaggebenden Punkt für den Erfolg gesehen, Kapitän Lasse Svan und Spielmacher Gottfridsson im Umsetzen des Matchplans.

Matchball abgewehrt - mehr nicht

»Es war ein Sieg des Willens, aber wir haben das Spiel auch unglaublich clever gesteuert. Nachdem wir unsere anfänglichen Fehler und Nerven in den Griff bekommen haben, wurden gute Lösungen gefunden. Es wurde zur richtigen Zeit Tempo gemacht und ohne die fünf Ausfälle haben wir es gut gemacht, so Svan. Gottfridsson ergänzte: »Wir haben vor allem im zweiten Durchgang weniger technische Fehler als der THW gemacht.«

Machulla freute sich zudem darüber, dass seine Mannschaft nicht nur gekämpft, sondern auch »sehr gut« gespielt hatte. »Unsere Effektivität war ausgezeichnet und der Sieg wichtig fürs Selbstvertrauen. Egal was passiert, wir wissen jetzt, dass wir immer gut genug sind, jeden zu schlagen. Der Erfolg gibt uns Energie für die nächsten Aufgaben.«

Einig waren sich alle im SG-Lager: trotz des Sieges und obwohl die Flensburger in der Tabelle wieder Erster sind und das Titelrennen weiterhin komplett offen ist - entschieden ist noch lange nichts. »Wir haben den Matchball des THW abgewehrt«, so Svan. »Wenn sie gewonnen hätten wären sie Meister geworden, so haben wir es wieder in der Hand«, meinte Gottfridsson und Machulla sagte: »Es ist erst die Hälfte der Saison rum. Wer weiß, ob wir überhaupt alle 38 Spiele absolvieren können. Es ist jedoch nicht mehr passiert, als dass wir verhindert haben, dass Kiel weiter weggezogen ist.« Er verabschiedete sich in die Nacht und sagte noch: »Genießen werde ich es aber trotzdem.«

Dass die Mannschaft das leisten kann hat sie die ganzen letzten Monate gezeigt. Wir machen das Beste aus jeder Situation, lammentieren nicht, aber trotzdem war das so nicht zu erwarten.

Maik Machulla, Trainer SG Flensburg-Handewitt

FAKTA

SG Flensburg-Handewitt: Buric, Bergerud - Golla 5, Svan 2, Wanne 10/2, Jøndal n. e., Steinhauser n. e., Søgard 4, Gottfridsson 7, Holpert, Petersson 2, Rød 1

THW Kiel: Quenstedt, Andersson - Ehrig n. e., Duvnjak 4, Sagosen 9, Reinkind 2, Landin, Sunnefeldt, Weinhold 1, Wiencek 3, Ekberg 4, Dahmke 2, Zarabec 1, Voigt n. e., Horak, Pekeler 2

Zuschauer: Keine

Schiedsrichter: Robert Schulze/Tobias Tönnies

Siebenmeter: 2/2:1/- (Bergerud hält gegen Ekberg)

Zeitstrafen: 2:2 (Rød 2 - Reinkind, Duvnjak)