Tragischer Pokal-Wahnsinn in Flensburg
Der SC Weiche Flensburg 08 musste sich Zweitligist Holstein Kiel erst nach großem Kampf und Verlängerung geschlagen geben.
Flensburg. Der SC Weiche Flensburg 08 hat Holstein Kiel in der ersten Runde des DFB-Pokals alles abverlangt. Diszipliniert und mit viel Leidenschaft bot der Regionalligist dem Favoriten Paroli. Neuzugang Patrick Herrmann, mit ausgeprägter Holstein-Vergangenheit, war bei der 2:4-Niederlage nach Verlängerung schon dabei sich zum großen Helden aufzuschwingen, ehe der Favorit nochmal zurückschlagen konnte.
SC-Trainer Thomas Seeliger hatte Wort gehalten. Neuzugang und langjähriger Holstein-Spieler, Patrick Herrmann, stand gegen seinen alten Arbeitgeber, bei dem er Kultstatus als »Fußballgott« hat, von Beginn auf dem Feld. Ebenfalls einen Platz in der Startelf hatte auch der andere Neuzugang Torben Rehfeldt ergattert. Ansonsten setzte der SC-Trainer auf bewährtes Personal in Torhüter Florian Kirschke, Torge Paetow, Kevin Schulz, Marcel Cornils, Noel Kurzbach, Christopher Kramer, Patrick Thomsen, Kevin Njie und Dominic Hartmann.
Überraschender, als das, was Seeliger auf dem Feld aufgeboten hatte, war die Personalie Tim Wulff. Der ehemalige Sturmtank des SC und davor auch von Holstein Kiel, ist eigentlich spielender Trainer der zweiten Mannschaft des SC in der Oberliga, nahm überraschend auf der Bank als Joker Platz.
Wie erwartet hatten die Gäste von Beginn an mehr vom Ball, die SC-Defensive wackelte aber nicht. Dafür spielte Holstein der SC-Innenverteidigung um Torge Paetow und Patrick Thomsen zu sehr in die Karten. Immer wieder wurde es mit dem langen Ball versucht, was die tiefstehende Abwehr der Gastgeber aber nicht in Bedrängnis bringen konnte.
SC-Neuzugang Patrick Hermann (vorne) brachte immer wieder ein Körperteil rechtzeitig dazwischen und machte eine gute Figur. Dass seine zwei Tore am Ende nicht reichten war einfach nur Pech. - Foto: Kira Kutscher
Aus dem Druck befreit
Die Heimmannschaft gewann mit jeder Spielminute mehr hingegen auch mehr an Überzeugung. Stand der SC die ersten 20 Minuten sehr tief, verlagerte der Gastgeber das Spielgeschehen danach deutlich weiter nach vorne. Die ersten Scharmützel gab es zudem auch. Mittendrin wenig überraschend Unruheherd Kevin Schulz und Holsteins Johannes van den Bergh. Das machte aber deutlich, dass der SC auf Augenhöhe agierte.
Auch bis zur Pause hielt das Abwehrbollwerk des SC stand. Holstein fand kaum eine Lücke. Immer wieder brachte ein Spieler der Heimmannschaft noch ein Körperteil dazwischen. Auf der Gegenseite fehlte den Gastgebern im ersten Durchgang noch die letzte Konsequenz und Genauigkeit, um ihre Konterchancen auch in Zählbares umzumünzen. Entsprechen ging es mit einem 0:0 in die Pause.
Holstein stark
Nach dem Seitenwechsel gehörte erneut die Anfangsphase den Gästen. Der SC stand wieder tief und Holstein schaffte es mit mehr Bewegung nun auch Räume zu schaffen. Doch SC-Keeper Kirschke war gut aufgelegt und zur Stelle, wenn der stark aufspielende Torben Rehfeldt mal das Loch nicht schließen konnte.
Dabei hatte der SC noch die größte Möglichkeit, als sich Christopher Kramer einen verunglückten Rückpass von Holsteins Stefan Thesker schnappte. Seinen Querpass erreichte Jonas Walter aber knapp nicht.
Insgesamt drückten die Gäste, aber die Heimmannschaft schaffte es immer wieder Nadelstiche zu setzen. Der SC kämpfte leidenschaftlich und lediglich ein Treffer fehlte. Entsprechend auf Augenhöhe ging es in die Schlussviertelstunde.
Spielerische Noten wurden immer mehr zur Mangelware, während die Spannung zunahm. Es entwickelte sich ein absoluter Pokalfight, der auch nach 90 Minuten noch keinen Sieger gefunden hatte. Die Verlängerung musste her.
SC-Keeper Florian Kirschke hatte in der ersten Halbzeit relativ wenig zu tun, zeichnete sich im zweiten Durchgang aber mehrfach aus. - Foto: Kira Kutscher
Rückschlag
Einen echten Nackenschlag musste der SC kurz nach Beginn der Verlängerung hinnehmen. Florian Meyer eilte nach einem langen Ball zurück und wurde vom Flankenball an der Handb getroffen. Schiedsrichter Frank Willenborg entschied auf Strafstoß, den Jan-Fiete Arp (94.) sicher zur 1:0-Führung für Holstein Kiel verwandelte.
Der Fußball schreibt aber bekanntlich seine eigenen Geschichten und erst recht im Pokal. So steckte der SC nicht auf und einen verlängerten Einwurf von Torge Paetow köpfte der Ex-Kieler Patrick Herrmann (103.) am langen Pfosten über die Linie.
Doch die wilden Minuten setzten sich fort. Nahezu im Gegenzug schafften es die Gastgeber nicht den Ball zu klären und Philipp Sander (105.) schoss Holstein Kiel erneut in Führung.
Der Regionalligist wollte sich aber einfach nicht beugen. Erneut Patrick Hermann (115.) konnte zum umjubelten 2:2 ausgleichen. Es hätte sogar noch besser kommen können, als Jonah Gieseler in der letzten Spielminute noch im Strafraum abschließen konnte. Doch Holstein-Keeper Thomas Dähne parierte stark.
Das Drama war allerdings noch nicht vorbei. Mit kaum noch Umdrehungen auf der Uhr tauchte Fabian Reese (120.) frei vor dem Strafraum auf und traf zur 3:2-Führung für Holstein. Damit aber noch nicht genug, nutzte der Zweitligist den Raum, den der SC beim Versuch den Ausgleich zu erzielen bot. Routinier Fin Bartels (120.+2) setzte dann den Schlusspunkt zum 4:2.
Der SC Weiche Flensburg 08 brauchte sich allerdings überhaupt nicht zu Grämen. Mit viel Disziplin und noch mehr Leidenschaft sicherten sich die Gastgeber viel Zuspruch, auch wenn in der ersten Runde des DFB-Pokals Endstation war. Die Leistung macht Hoffnung, dass die 3. Liga auch nicht nur ein Traum bleibt.
Timo Fleth
tif@fla.de
SC Weiche Flensburg 08 - Holstein Kiel 2:4 (0:0/0:0) n.V.
Statistik
SC Weiche Flensburg 08: Kirschke - Herrmann, Paetow, Thomsen, Njie (105. Wulff) - Schulz (71. Walter), Rehfeldt (116. Petersen), Hartmann - Kurzbach (62. Meyer), Cornils (62. Gieseler), Kramer.
Holstein Kiel: Dähne - Erras, Thesker (90. Lorenz), Mühling (88. Sander), Fridjónsson (58. Arp), Skrzybski, van den Bergh (67. Kirkeskov), Wahl, Neumann, Mees (67. Reese), Bartels.
Schiedsrichter: Frank Willenborg.
Zuschauer: 1700 (ausverkauft).
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