Alles begann beim FC Wiesharde

Lúkas Petersson hat einen gleichermaßen ungewöhnlichen wie unglaublichen Weg im Sport hingelegt. Aus dem beschaulichen Handewitt ging es über Berlin zur TSG Hoffenheim. Dabei schulte er vom Feldspieler zum Torwart um und steht womöglich vor einer Profikarriere - allerdings im Fußball und nicht wie seine Eltern im Handball.

Der junge Lúkas Petersson einst beim FC Wiesharde.
Der junge Lúkas Petersson einst beim FC Wiesharde. Foto: FC Wiesharde/Ljubomir Vranjes
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fredag d. 9. april 2021 kl. 21.01

Flensburg. Als am 25. März die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf Island traf, hatte Lúkas Petersson ein Problem. Wem sollte er nur die Daumen drücken? Es war aber nur ein kleines Problem, denn für den Sohn von Handball-Profi Alexander Petersson liegen die Dinge klar. »Obwohl ich nie dort gelebt habe, fühle ich mich als Isländer«, so der 17-Jährige, der neben der deutschen auch die isländische Sprache perfekt beherrscht, isländischer Staatsbürger ist und das auch bleiben will. Daher hielt er an jenem Abend auch mit den Mannen von der Vulkaninsel. 

»Dass Island nach nur sieben Minuten bereits zwei zu null hinten lag, war natürlich der K.o.-Schlag, aber immerhin haben wir am Ende nicht höher als 3:0 verloren«, so Lúkas Petersson, der selber womöglich gar nicht mehr so weit davon entfernt ist, einmal selber bei einem A-Länderspiel auf dem Platz zu stehen. Zumindest ist es sein Traum, das Ziel und es wäre die vorläufige Krönung einer ungewöhnlichen Sportlaufbahn, die ihm in die berühmte Wiege gelegt wurde.

Ein Zeitsprung zurück in das Jahr 2004: Am 9. Februar wurde Lúkas Petersson in Düsseldorf geboren. Er ist der älteste Sohn von Eivor Pala Blöndal und Alexander Petersson. Seine Mutter spielte einst Handball bei Valur Reykjavík in der höchsten isländischen Liga und von 2005 bis 2007 für die HSG Sulzbach/Leidersbach, mit der sie von der Regional- in die Bundesliga aufstieg. Ihr Mann, Alexander Petersson, war zu der Zeit für den TV Großwallstadt aktiv, wechselte im Sommer 2007 erstmals zur SG Flensburg-Handewitt, wo er zunächst bis 2010 spielte und seit diesem Februar wieder aktiv ist.

Der junge Lúkas Petersson wuchs im beschaulichen Handewitt auf. Er probierte sich beim Handball bei der SG aus und spielte beim FC Wiesharde Fußball. Im Team von Trainer Stefan Sowada gehörten u.a. die Söhne der damaligen bzw. ehemaligen SG-Akteure Ljubomir Vranjes und Jan Holpert, William und Magnus, zu Lúkas’ Mitspielern.


Lúkas Petersson (2. v. l.) begann unter Coach Stefan Sowada sowie u. a. gemeinsam mit William Vranjes (2. v. r.) sowie Magnus Holpert (r.) beim Fußball. - Foto: FC Wiesharde/Ljubomir Vranjes

»Es ist schon witzig. Damals hat Magnus mit meinem Sohn Fußball gespielt und ich mit Jan noch ein paar Spiele Handball. Jetzt spiele ich mit Magnus bei der SG Handball«, sagte Alexander Petersson nach seiner Rückkehr in den hohen Norden, als er plötzlich neben Magnus Holpert in der Kabine saß. Während Magnus ganz offensichtlich eine vielversprechende Handballkarriere begann, ging Lúkas Petersson den anderen Weg und wurde Fußballer.

Der heute 17-Jährige hütet inzwischen das Tor in der U17 beim Profi-Club TSG Hoffenheim und spielt in der höchsten U-Spielklasse, der Bundesliga.

»Ich habe als kleiner Junge viele Sportarten ausprobiert, auch weil meine Eltern das gerne wollten«, erinnert sich »Luksi«, wie er von seinen Teamkollegen gerufen wird. Neben Fuß- und Handball war auch Basketball, Feldhockey und Golf dabei. »Fußball hat mir aber am meisten Spaß gemacht«, erklärt Lúkas Petersson, warum er nicht in die sportlichen Fußstapfen der Eltern getreten ist.

Doch er ging nicht direkt ins Tor. Ganz im Gegenteil. Bis zur U13 spielte er als Innenverteidiger.

Nachdem sein Vater 2010 zunächst zu den Füchsen Berlin und zwei Jahre später zu den Rhein-Neckar Löwen wechselte, hießen die Vereine des Filius Tennis Borussia Berlin und VfB Rauenberg. Bereits in der E-Jugend wurden die Scouts der TSG Hoffenheim auf ihn aufmerksam, luden ihn zum Fördertraining ein. In der U12 wechselte er fest in die Jugend des Proficlubs. In der U13 verletzte er sich und nachdem er sich das Sitzbein angebrochen hatte, kam er nicht mehr wirklich in Schwung. Für die U14 reichte es in Hoffenheim nicht mehr - zumindest nicht im Feld.

Dass Isländer von einem ganz besonderen Schlag sind, ein großes Kämpferherz und sportlich eine Menge drauf haben, stellte Lúkas Petersson einmal mehr unter Beweis.

»Ich war schon immer groß, aber nicht der Schnellste. Außerdem habe ich während der Verletzung auch ein paar Kilos zuviel zugelegt«, gesteht er heute. »Doch ich habe die Trainer einfach gefragt, ob ich ins Tor gehen darf.« Im Sommerurlaub auf Island oder auch im Verein, wenn mal Not am Mann war, hatte er das bereits oft gemacht und es machte ihm Spaß. Und ganz offensichtlich hatte er Talent mit den Händen am Ball. Irgendwie kein Wunder, wenn beide Elternteile doch Handball auf höchstem Niveau im Blut haben. Während sein Vater mit genau 13 Jahren vom Fußball zum Handball wechselte, ging der Sohnemann genau den anderen Weg. Ob nun Spätzünder oder Spätberufener - er startete richtig durch.

“Ich denke, mein Vorteil war, dass ich schon immer ein gutes Gefühl für den Ball hatte. Auch dadurch, dass ich früh viele verschiedene Sportarten ausprobiert habe”, wurde Petersson Junior einst auf der Internetseite der TSG zitiert. “Ich wusste schon zu Beginn, wie Abwehrspieler ticken, und hatte ein gutes Gefühl für die Räume vor mir.”


Wie der Papa so der Sohn - die Peterssons, hier Lúkas und Alexander vor einigen Jahre bei der TSG Hoffenheim im Trainingszentrum, sind eine durchweg sportliche Familie. - Foto: TSG Hoffenheim/Terence Träber

Zunächst aber litt er körperlich und mental noch unter seiner kräftigen Statur. “Ich war zu schwer und hatte Probleme damit, schnell unten zu sein. Da alle anderen dünner waren als ich, habe ich mich in meinem Körper auch nicht wohlgefühlt und hatte nicht so viel Selbstvertrauen”, meinte er noch vor einigen Jahren. Dank Ernährungsumstellung und Athletiktraining kommt er heute ganz nach dem Vater, der mit 40 Jahren immer noch zu den fittesten Spielern der Handball-Bundesliga zählt. Auch Lúkas Petersson weist inzwischen Gardemaße auf, ist ein Modellathlet geworden. Er hat sich jedes Jahr gegen die interne Konkurrenz durchgesetzt, bekam Einladungen zum DFB-Lehrgang (U15 und U16) und hat bereits zwei U17-Länderspiele für Island absolviert. Als Jugend-Fußballer hat er es innerhalb weniger Jahre in einem Leistungs-Nachwuchszentrums bei einem Bundesligisten vom Feldspieler zum Torwart geschafft - das dürfte eine einmalige Sache sein.

In der U17 wurde er zum Stammkeeper, hat wegen der Coronapandemie aber nur eine Handvoll Pflichtspiele absolviert. Aktuell stehen nur Trainingseinheiten und Freundschafts-Begegnungen an. Dass die Saison 2020/21 nochmal aufgenommen wird, glaubt er eher nicht. So oder so geht es für ihn im Sommer in die U19 und sein Vertrag gilt auch für das U23-Team.

Wohin es ihn einmal führen soll, ist klar. »Ich möchte Profi werden und setze alles daran«, so Lúkas Petersson. Sein Vater kehrt im Sommer aus Flensburg zurück, will noch ein Jahr in Deutschland bleiben und dann mit der Familie zurück nach Island gehen. Lúkas wird nicht mitkommen. »Ich bin dann zwar alleine, aber das ist okay. Mit der Schule bin ich zu der Zeit fertig und habe hoffentlich meinen Führerschein. Außerdem bin ich bei Hoffenheim gut aufgehoben, kann im Spielerwohnheim wohnen, die Infrastruktur ist einfach gut.«

Und die Durchlässigkeit zu den Profis hoch, wie Lúkas Petersson weiß - und genau darin seine Chance sieht. Sein Ziel ist eine Profikarriere und sein Traum ist ein Länderspiel für Island. »Es ist ein unglaubliches Gefühl, die eigene Hymne zu hören, man ist unglaublich stolz«, erinnert er sich an seine beiden U-Einsätze. »Am liebsten würde ich irgendwann gerne gegen Deutschland spielen, das Land in dem ich lebe. Und überragend wäre es, mit meinem Bruder an meiner Seite«, so Lúkas Petersson. 

Doch da gibt es wieder ein Problem. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Tomas ist in der U13 beim FC Astoria Walldorf ebenfalls gerade vom Feldspieler zum Torwart geworden.

»Es könnte natürlich kritisch werden, da nur einer im Tor stehen kann«, so Lúkas Petersson. Mit dem schelmischen Schmunzeln eines großen Bruders fügt er jedoch hinzu: »Kritisch natürlich nur für ihn.«


Familienbande: Alexander (v. l.), Tomas und Lúkas Petersson. - Privatfoto