Verrücktes Familien-Abenteuer nur aufgeschoben

Theresa und Karl Blumroth hätten in diesen Tagen am »Cape Epic« teilgenommen, einem der härtesten Mountainbike-Rennen der Welt. Doch gegen die Coronapandemie konnten die Flensburger nicht anstrampeln - ihre MTB-Herausforderungen wurde verschoben, aber nicht aufgehoben.

Die Blumroths beim Training am Strand von Holnis.
Die Blumroths beim Training am Strand von Holnis. Foto: Lars Salomonsen
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fredag d. 26. marts 2021 kl. 21.01

Flensburg. Wer im echten Norden, dem Land zwischen den Meeren, sportlich aktiv ist, der kommt an den Elementen Wind und Wasser nur schwer vorbei. Kajak, Segeln oder Surfen - die Möglichkeiten auf Nord- und Ostsee sind vielfältig. Schwimmen natürlich nicht zu vergessen. Wer sich zwischen den Küsten noch anderweitig im Ausdauerbereich austoben möchte, der macht das meist bei diversen Läufen, auf dem Rennrad oder kombiniert in Sachen Triathlon. Der höchste Punkt Schleswig-Holsteins ist mit 167,4 m der Bungsberg in der Holsteinischen Schweiz. Wobei es für jeden Eidgenossen eine Beleidigung wäre, hier von einer Höhe zu sprechen oder diese Erhebung als Berg zu bezeichnen. 

Aber zurück zum Thema: Wer auf dem flachen Land im hohen Norden unterwegs ist, der muss schon ein bisschen verrückt sein, wenn er sich 15.500 Höhenmeter, 647 Kilometer Strecke und das verteilt auf nur acht Tage auf dem Mountainbike (MTB) vornimmt. Theresa und Karl Blumroth hatten bzw. haben genau das vor. Tochter und Vater wollten vom 21. bis 28. März 2021 das legendäre MTB-Rennen »Absa Cape Epic« in Südafrika bestreiten. Die Coronapandemie zwang die Veranstalter jedoch dazu, dass Rennen in den Oktober zu verlegen.

Egal wann es stattfindet, es trägt den Beinamen »The untamed African mountainbike race«, was so viel bedeutet wie: das ungezähmte afrikanische MTB-Rennen. Laut »Bike - das Mountainbikemagazin« ist es eines der 15 härtesten Rennen weltweit. In der Beschreibung des Fachmagazins heißt es: »Das Absa Cape Epic - oft als »Tour de France der Mountainbiker« bezeichnet - gilt als eines der spektakulärsten und härtesten Etappen-Rennen der Welt. Acht Tage lang pedalieren die Teilnehmer durch die atemberaubenden Landschaften des Western Cape in Südafrika - rund 700 Kilometer weit durch die entlegensten Gegenden und etwa 15.000 Höhenmeter über majestätische Berge. Das Cape Epic genießt höchsten UCI-Status und lockt deshalb jährlich die Marathon-Prominenz an.« Weiter heißt es bezüglich der Gefahren: »Was kann passieren? Seit Stunden im selben Strampel-Rhythmus und völlig nichtsahnend von einer 90 km/h schnell galoppierenden Antilope vom Bike gerammt zu werden.« Als Besonderheit gilt: »Die Bewohner der rund 3000 Zelte werden jeden Morgen, wenn’s noch dunkel ist und sogar die Antilopen ruhig schlummern, »sanft« vom Gedudel eines Dudelsack-Bläsers geweckt.«

Was kann passieren? Seit Stunden im selben Strampel-Rhythmus und völlig nichtsahnend von einer 90 km/h schnell galoppierenden Antilope vom Bike gerammt zu werden.

»Bike - das Mountainbikemagazin« über das »Cape Epic«-Rennen.

Darauf werden die Blumroths verzichten, sie wollen sich einen Camper mieten, um darin zu übernachten. »Ich bin zu alt für so einen Quatsch«, sagte der 53-jährige Karl Blumroth als wir ihn während der Vorbereitungen gemeinsam mit seiner Tochter trafen. Er meinte damit aber nur das Übernachten im Zelt, keinesfalls das Rennen an sich. Darauf bereitete er sich seit dem vergangenen Sommer gemeinsam mit seiner Tochter bestens vor. Beide bringen von Haus aus jede Menge Sportlichkeit mit. »Wir sind früher oft gemeinsam gelaufen und haben überhaupt viel Sport zusammen gemacht«, so die 23 Jahre alte Theresa Blumroth. Etwas in der Größenordnung des »Cape Epic« haben sie aber noch nie gemacht. Papa Blumroth hat im letzten Jahr allerdings einen Langdistanz-Triathlon in Kopenhagen absolviert. Damals hat er sich Expertise bei Niels A. Schuldt, einem bekannten und erfolgreichem Triathleten aus Flensburg, geholt. Schuldt, der inzwischen mit seinem Unternehmen Strongerlabverstärkt als Trainer unterwegs ist, unterstützt die Blumroths als persönlicher Coach.


Auf Karl Blumroth wartet in Südafrika jede Menge MTB-Action. Foto: Lars Salomonsen

»Ich habe ihn damals beim Triathlon kennengelernt und er hat mir schon ein paar Trainingspläne geschrieben. Er ist sehr engagiert und ernsthaft dabei, das ist motivierend«, lobte Karl Blumroth, Franchisenehmer diverser McDonalds-Filialen in Flensburg und Umgebung. Vor allem für seine Tochter war ein gezielter Trainingsplan wichtig, da sie zuvor noch nie Mountainbike gefahren ist. Nun ist sie seit Monaten dabei und obwohl sie derzeit nicht wie ihr Vater in Flensburg, sondern in Hamburg lebt (hier absolviert sie ein Praktikum bei der weltweit aktiven Werbeagentur »Grey«), ist das tägliche Training kein Problem. Alles wird digital gesteuert - state of the art im modernen Sport, inzwischen vielerorts auch abseits des Profigeschäfts. 

»Es lässt sich längst alles aus der Ferne steuern. Training auf Abstand ist kein Problem mehr«, erklärt Niels A. Schuldt, der einst auf die Duborg-Skolen ging und ein Kind der dänischen Minderheit ist. »Ich fahre manchmal zehn Minuten länger, weil ich weiß, dass Niels alles sieht«, so Theresa Blumroth, die dabei lachte. Ihr Vater fügte ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht hinzu: »Man ist recht gläsern, die Daten werden per App übertragen und Niels sieht jedes Training.« Das Duo hat sich das so jedoch ausgesucht. »Anders kann er es auch gar nicht koordinieren. So bekommt er die Daten, die er benötigt. Er sieht, wie dein Körper auf das Training reagiert und passt das Training dementsprechend an. Wenn er das nicht sehen würde, könnte es nicht funktionieren«, erklärte Theresa Blumroth und gab zu: »An manchen Trainingstagen hat man das Gefühl, man kommt nicht voran und ist auf dem Niveau wie vor zwei Monaten. Doch an anderen Tagen geht es wieder viel schneller.«

Sie trainiert täglich. Zwei Einheiten Kraft und zwei Einheiten auf dem Rad die Woche. Dazu ein Tag aktive Erholung und einmal Yoga. Und das oft abends, nach einem langen Arbeitstag. »Es ist eine Gewöhnungssache, aber auch ich muss mir oft sagen, dass mein Tag erst vorbei ist, wenn ich beim Sport war.«

Nicht immer einfach, vor allem nicht in Corona-Zeiten. »Wir sprechen viel darüber, ob es den ganzen Trainingsaufwand wert ist«, so Karl Blumroth. Eigentlich wollte er schon in 2020 mit einem Bekannten teilnehmen. Gesundheitliche Gründe stoppten ihn und die weltweite Pandemie das ganze Rennen. »Der Zeitpunkt war sehr ärgerlich. Das Rennen sollte Mitte März stattfinden und die Teilnehmer waren bereits alle dort. Zwei Tage vorher wurde es dann abgesagt.« So lange warteten die Veranstalter diesmal nicht mit dem Verschieben des Rennens. Im Laufe des Winters sagten die Blumroths für sich ihre Teilnahme im März ohnehin bereits ab. Doch sie soll nur aufgeschoben sein. Der Plan ist, dass Tochter und Vater im Oktober an den Start gehen. Insgesamt werden 2021 nur 499 Teams - das Rennen wird immer in Zweier-Teams absolviert - zugelassen. Nur wenn die Corona-Beschränkungen bis dahin gelockert werden, dürften noch mehr starten. Es gibt definitiv mehr Interessenten als Startplätze.

Doch wie sind die beiden, die mal Trainingsfahrten an der dänischen Küste, in den Harburger Bergen oder dem Harz machen, um wenigstens ein paar Höhenmeter in die Beine zu bekommen, überhaupt auf das Rennen »Cape Epic« gekommen? »Ich war zwei Mal im Urlaub in Südafrika und Theresa einmal. Jemand hat uns davon erzählt, dass es dort dieses verrückte Rennen gibt. Wir haben es uns im Netz angeschaut und gesagt, okay, das machen wir«, so Karl Blumroth, der sich und seine Tochter deswegen nicht unbedingt als Extremsportler sieht. »Es gibt noch viel extremere Sachen«, findet er. Wobei seine Tochter durchaus festgestellt hat, dass die Reaktionen auf ihr Projekt unterschiedlich ausfallen können. »Viele können sich nicht vorstellen, wie man zehn oder mehr Stunden Training in der Woche in seinen Alltag einbauen kann. Aber wenn man es will, und wir wollen das, geht es auch. Es gibt jedoch einige, die sagen: Wie stellt ihr euch das vor? Die können das Projekt gar nicht greifen oder einschätzen.« 


Theresa und Karl Blumroth. Foto: Lars Salomonsen. 

Um das selber bestmöglich zu tun, schauen sich die Blumroths auch jetzt hin und wieder schon mal die Streckenprofile auf der Internetseite des Rennens an. Der Prolog rund um die Universität von Kapstadt ist mit 200 Kilometern und nur 600 Höhenmetern noch keine richtige Herausforderung. Die fünfte Etappe rund um Wellington auf der Kap-Halbinsel ist mit 2900 Höhenmetern und einer Strecke von 85 Kilometern schon ein anderer Schnack.

»Die Entfernungen sind gar nicht so schlimm, es sind die Höhenmeter, die die Herausforderung sind«, so Blumroth, der jedoch eine besondere Motivation hat: »Die Idee, dass Vater und Tochter etwas Gemeinsames machen, treibt uns an. Wir fahren nicht dort hin, um auf dem Podium zu stehen, das können wir nicht, aber das Event an sich muss sehr schön sein, auch was die Natur dort bietet und dass wir etwas zusammen zu machen, ist toll.«

Auf dem Podest ganz oben standen schon große Namen wie etwa der ehemalige deutsche Tour-de-France-Fahrer Udo Bölts oder der dänische Rad-Star Jakob Fuglsang, der 2008 gewann. Seine Landsfrau Annika Langvad ist mit fünf Gesamtsiegen sogar Rekordgewinnerin. Überhaupt wird wieder einiges aus der MTB-Weltelite erwartet, schließlich ist das 2004 erstmals ausgetragene Rennen längst ein Meilenstein im internationalen Rennkalender und Teil einer weltweiten Epic-Serie.

Zum Schluss erklärt Blumroth noch das familieninterne Erfolgsgeheimnis, wie Vater und Tochter das »Cape Epic« meistern wollen: »Theresa hat den Vorteil und ist 30 Jahre jünger, ich habe dafür das bessere Mountainbike bekommen.«

So sah es 2019 beim Cape Epic aus: 

FAKTEN

Cape Epic 2021

Wann: Ursprünglich 21. bis 28. März 2021, neuer Termin: 17.-24. Oktober 2021

Wo: Südafrika, Kab-Halbinsel

Teilnehmer: 499 Teams (je zwei FahrerInnen)

Kategorien: Frauen, Männer, Mixed (eine Frau, ein Mann), Masters (beide Fahrer müssen bis zum 31. Dezember des Jahres 40 Jahre oder älter sein) und Grand Masters (beide Fahrer müssen mindestens 50 Jahre alt sein)

Gründer: Kevin Vermaak (2016 verkaufte Vermaak die Organisation an die WTC, ein Tochterunternehmen der chinesischen Wanda Group, die weltweit Radrennen, Triathlonveranstaltungen, Marathonläufe u.Ä. organisiert. Kevin Vermaak übernahm in der Organisation die Verantwortung für die Entwicklung einer weltweiten Serie von Mountainbike-Rennen. Das Cape Epic gehört zu einer internationalen Epic-Serie.

Erstes Rennen: 2004

Rennen 2021: Prolog + 7 Etappen; 647 Kilometer, 15.500 Höhenmeter