Boxen
Frank Heike
Hamburg. Die 50 Meter von seiner Ringecke zum abgeschirmten Umkleidebereich waren ein kleiner Triumphzug. Hier ein Selfie mit weiblichen Fans, da ein Schulterklopfen harter Kerle, und am Ende der Strecke drückte Freddy Kiwitt seine Mama und warf seiner Frau samt Kind einen warmen Blick zu: Am Samstagabend um viertel nach neun bekam Kiwitt in wenigen Momenten viel zurück für die Monate der Entbehrung.
Und das völlig zu recht. In seinem dritten Kampf innerhalb weniger Monate hatte der Flensburger Weltergewichts-Boxer so ziemlich alles richtiggemacht: eine Rechte an den Kopf des Gegners beendete das Faustgefecht Mitte der dritten Runde. Wilbur Blanco lag im Ringstaub, während Kiwitt mit »Freddy, Freddy!«-Rufen von den 350 Fans im Gym des Universum-Stalls an der Großen Elbstraße gefeiert wurde.
Was von außen wie ein riskantes Ringen gegen einen gefährlichen Kontrahenten aussah, fühlte sich im Ringgeviert offenbar ziemlich entspannt an. »Ich bin genau meiner Taktik gefolgt«, sagte Kiwitt, »ich habe alles gesehen, was er machen wollte, mit Meidbewegungen Treffer verhindert und ihn gegen meine Handschuhe und Unterarme schlagen lassen. Als ich merkte, dass seine Schläge schwächer wurden, habe ich ihn in die Ringecke gedrängt und getroffen.« Tatsächlich erreichten die Schwinger des Kolumbianers weder Kiwitts Kopf noch Körper – »schau dir mein Gesicht an, ich sehe aus wie vor dem Kampf.« Einen leichten Tiefschlag in der zweiten Runde steckte Kiwitt ebenso weg wie ein paar verrutschte Hiebe Richtung Nieren. »Das sah schlimmer aus als es war«, urteilte Kiwitt, »ich konnte die ganze Zeit bei meiner Linie bleiben, die Lücken zu sehen, seine Fehler zu erkennen.« Das war nicht nur Freddy Kiwitts persönliche Sicht auf diesen Kampf. Universum-Cheftrainer Robert Harutyunyan lobte: »Freddy hat unseren Plan genau umgesetzt.«
Das war gar nicht so leicht gewesen, denn von Blanco gab es kaum Videomaterial. Doch auf seine boxerische Intelligenz konnte sich Freddy Kiwitt wieder verlassen. Mit dem wenigen, das er wusste und dem vielen, das er sah, hatte er genug Anhaltspunkte, um das Gefecht früh zu beenden.
Nach zuvor unspektakulären Fights war Kiwitts Kampf der Höhepunkt des Abends. Zwar kurz, aber mit Tempo, Taktik und Schlagkraft gegen einen austrainierten, mutigen Gegner. Das begeisterte das Publikum. »Es war unglaublich cool, vor so vielen Fans zu boxen«, sagte er, »gehört habe ich aber nur meine Mutter.«
Ein nächster Kampf, ein nächster Sieg für den 31 Jahre alten Flensburger. Er sagte: »Ich merke, dass mein Training fruchtet. Ich mache das jetzt schon viele Jahre und weiß, worauf es ankommt. Ich stehe nicht mehr am Anfang.« Im Frühjahr 2022 soll ein Titelkampf in der Wilhelmsburger Inselparkhalle folgen. So ist es vereinbart. Für den Moment galt anderes: »Ich habe jetzt eine Woche Urlaub mit meiner Familie«, sagte Freddy Kiwitt, »das letzte halbe Jahr war hart. Ich habe ein paar kleinere Verletzungen und brauche eine Pause.« Zurück also nach Flensburg. Mit einem erfolgreichen Jahresabschluss als Boxer im Gepäck.
