Jetzt soll es richtig losgehen

Sonnabend steigt der Flensburger Freddy Kiwitt wieder in den Ring. Es ist der nächste Schritt Richtung Titelkampf.

Freddy Kiwitt ist bereit für seinen nächsten Kampf.
Freddy Kiwitt ist bereit für seinen nächsten Kampf. Foto: Martin Ziemer
sport@fla.de
fredag d. 19. november 2021 kl. 10.37

Hamburg. Hektische Betriebsamkeit in der Großen Elbstraße 268. Seilspringen, Schattenboxen, Pratzenarbeit. Im bestrahlten Ring ein Sparring. „Noch zehn Sekunden!“ Eine Frau hebt keuchend Kettlebells, der Chef des Boxstalls radelt schwitzend auf dem Ergometer – und ein Handwerker richtet die Beleuchtung für Sonnabend (ab 19.30 Uhr/Livestream auf dem Youtube-Kannal von Universum TV): Kampfnacht bei Universum, endlich mal wieder, eine Reihe von Kämpfen, 300 Boxfans werden erwartet, hier in Altona, gar nicht weit weg vom Hamburger Fischmarkt.

Freddy Kiwitt hat an diesem Vormittag schon trainiert. Wie die vergangenen sechs Wochen. Ganz in schwarz sitzt er in einem Ledersessel am Eingang des Gyms. Und wer ihn noch nie „in echt“ gesehen hat, versteht seinen Kampfnamen „The Pretty Boy“ sofort.

Kiwitt wohnt hier oben im ersten Stock für die Zeit seiner Vorbereitung. Weltergewicht, eine interessante Klasse, er kämpft gegen Wilbur Blanco Martinez – ein unbeschriebenes Blatt. Ein bisschen was hat Freddy Kiwitt auf Video gesehen; wild boxe der Kolumbianer, unkonventionell. Warum er nun ausgerechnet gegen Martinez in den Ring steigen soll (angesetzt über acht Runden), kann Kiwitt auch nicht beantworten. Er lacht. „Ich gehe da schon ein Risiko ein“, sagt er, „aber ich will unbedingt kämpfen.“ Er ist 31 Jahre alt, schlimm genug, dass die Pandemie ihm wertvolle Zeit geraubt hat.

Freddy Kiwitt ist im April zurück nach Flensburg gezogen, wohnt mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in Mürwik. London, das war ihm zu groß, zu weitläufig. Und zu teuer. So, wie es jetzt ist, kann es bleiben – obwohl das Leben des Freddy K. alles andere als leicht ist. Er trainiert zwar wie ein Profi und fühlt sich auch als solcher. Aber die großen Börsen sollen erst noch kommen. Also übt er von Montag bis Freitag in Hamburg, fährt nach Flensburg, bricht in der Nacht auf Samstag um vier Uhr auf, um nach Vejle zu fahren. Dort arbeitet er bei „Jysk“ im Lager, „zwölf Stunden Sachen rumschleppen“. Sonntag Mitternacht ist er wieder in Flensburg. Montag früh zurück nach Hamburg. Kiwitt lacht. Ideal ist das nicht, aber: „Ein echter Champion ist für mich jemand, der viel arbeitet, immer unterwegs ist, und die Titel zwischendurch holt.“

Sein Vertrag bei Universum läuft bis nächsten Sommer, denn aus dem Gastkämpfer Kiwitt ist ein Vertragsboxer geworden. Das gibt etwas Sicherheit. Durch gezieltes Matchmaking und den nächsten Titelkampf will er zurück auf die Weltrangliste. Bei den vier relevanten Welt-Boxverbänden stehen addiert bestimmt 40 Athleten vor ihm. Er weiß jedoch, dass er viele von ihnen schlüge – bekäme er die Chance. Es soll jetzt richtig losgehen mit seiner Karriere.

Dabei erleichtert es, seine Familie in Flensburg zu wissen. Das Wasser, das Grün, die Menschen: alles viel entspannter als in London. Wenn er sich nicht auf Kämpfe vorbereitet, arbeitet Freddy Kiwitt in Flensburg als Personal Trainer. Auch seine alten Freunde sind ja dort; er spielte Fußball bei IF Stjernen und DGF, lernte das Boxen im Keller von Idrætshallen. Es tut gut über die alten Zeiten zu reden. Freddy Kiwitt sagt: „Meine Geschichte entwickelt sich immer weiter.“